Ezzes
atmete erleichtert auf. Selbst wenn er Kette rauchen würde, käme er immer noch bis weit nach Mittag mit seinem Vorrat aus.
Um diese Zeit war noch eine angenehme Kühle zu registrieren, die Bronstein nicht weiter störte, da sie die Reste der Müdigkeit vertrieb. Doch je weiter die Sonne am Firmament hinanstieg, desto heißer wurde es, und Bronstein suchte unwillkürlich nach ein wenig Schatten.
Gerne hätte er sich ein bisschen die Beine vertreten, doch je länger er auf dem Balkon saß, umso wahrscheinlicher wurde es, dass die Breuer und die Seiler auftauchten, falls sie denn überhaupt auftauchten. Bronstein streckte sich und registrierte dabei, dass der gesamte Balkon binnen kürzester Zeit in der prallen Sonne sein würde. Vielleicht sollte er in die Offensive gehen und sich sofort die Kati Hildebrand vornehmen, ohne länger auf die beiden anderen zu warten.
Wozu sollte das überhaupt gut sein? Bronstein war mit einem Mal über seine eigene Strategie erstaunt. Wenn er wartete, bis Seiler und Breuer das Haus betraten, dann konnten sich die drei in aller Ruhe verabreden und ihm eine Geschichte erzählen, die frei von Widersprüchen war. Er war ja so ein Hornochse! Er wusste, wo sich seine Verdächtige aufhielt, und er beschränkte sich darauf, auf ihren Vorgarten zu blicken! Von der Ferne schlug die Kirchturmuhr zehn, als sich Bronstein anschickte, die Pension zu verlassen, um endlich auf Kati Hildebrand zu treffen.
Er öffnete das Gartentor und trat an das Haus heran. Nachdem er geklopft hatte, dauerte es eine Weile, bis ihm geöffnet wurde. Bronstein war sich ziemlich sicher, es mit der Mutterder Hildebrand zu tun zu haben. „Schönen Tag auch“, sagte er und hielt der Frau seine Kokarde entgegen, „ich wollte die Kati sprechen.“
Die Augen der Mutter flatterten nervös: „Die … die ist nicht da“, kam es endlich. Bronstein nickte bedächtig. „Die ist da. Das weiß ich genau. Und wenn Sie sie vor mir verstecken, bringt das niemandem etwas. Also kommen S’, bringen wir’s hinter uns.“
Die Mutter machte noch einen halbherzigen Versuch, ihre Tochter zu schützen, doch Bronstein schob sie behutsam zur Seite und trat in die Stube. „Ist sie oben?“
„Sie ist wirklich nicht …“
„Komm, Mama, es hat ja doch keinen Sinn.“
Obwohl Bronstein die Frau noch nicht sah, wusste er, da oben an der Treppe befand sich Kati Hildebrand. Jetzt würde sich entscheiden, ob er auf die richtige Karte gesetzt hatte. „Fräulein Hildebrand, ich hätte, wie Sie sich vorstellen können, ein paar Fragen an Sie. Wenn S’ so lieb sind.“
Langsam schritt Kati Hildebrand die Treppe abwärts und kam dabei mehr und mehr ins Licht. Endlich hatte Bronstein sie voll im Blick, und was er sah, erschreckte ihn. Die Hildebrand war im ganzen Gesicht mit blauen Flecken übersät, hatte eine aufgesprungene Lippe und ein Feigerl. Was immer da vorgefallen war, es war heftig gewesen.
„Na servus, Sie hat man ja ordentlich hergerichtet. War des der Guschlbauer?“
Die Hildebrand nickte kaum merklich. Sie schleppte sich zum Küchentisch und ließ sich dort schwerfällig auf der Bank nieder. Dann nahm sie ihren Kopf zwischen ihre Hände. „Lass nur, Mama, es hat sowieso alles keinen Sinn mehr.“
Bronstein nahm sich einen Sessel und setzte sich der Hildebrand gegenüber. „Wollen S’ mir nicht einfach erzählen, was passiert ist?“
Bronstein bemühte sich, diese Worte so behutsam wie möglich auszusprechen, denn deutlich sah er die Tränen, die sich ihren Weg über Kati Hildebrands Wangen bahnten. „Vergewaltigt hat er mich“, sagte sie endlich, „und ganz furchtbar g’schlagen, weil ich mich g’wehrt hab.“
Eine lange Pause dehnte sich zwischen den in der Küche versammelten Menschen aus. Bronstein vermochte nicht zu sagen, wohin die Hildebrand ihren Blick gerichtet hatte, denn dieser verlor sich, wie es schien, im Nirgendwo. „Mit Umbringen hat er mir gedroht“, kam wieder ein Satzteil aus ihrem Mund, ehe sich eine neuerliche Periode des Schweigens über sie senkte. „Er hat g’sagt, er macht mich ganz tot. Und das so richtig langsam, damit es ja sehr wehtut.“ Neuerliche Stille. „Und die Schläge. … Immer wieder hat er mich geschlagen. … Direkt ins Gesicht. … Mit der geballten Faust. … Und auf meinen Busen … und in meinen Bauch. … Es hat so wehgetan. … Ich hab mir direkt gewünscht, ich stirb endlich, nur damit die Schmerzen aufhören. … Immer rabiater ist er worden. … Oh Gott, es war
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