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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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vor der Kasse ging uns der Gesprächsstoff aus, und gerade als wir uns setzen wollten, sprang in der Reihe vor uns ein Mann auf und brüllte meinen Namen.
    Vor Schreck erkannte ich ihn zunächst gar nicht. Dann erst ordneten sich die Gesichtszüge: Mund, Nase, Augen und Ohren kehrten an ihre Plätze zurück, und die Erscheinung verwandelte sich in Dr. Übelkron, den Mann von Lauras bester Freundin, der noch auf keiner unserer Gartenpartys fehlte.
    Ich umarmte ihn wie einen verlorenen Bruder. Dann boxte ich ihm ein paarmal auf die Schulter und fing an, ihm Fragen zu stellen: wie es der Gattin gehe und der Tochter und der Mutter und was man wohl halten solle von der Hitze. Der Film hatte schon angefangen, Leute um uns zischten, und auch Dr. Übelkron war anzusehen, dass er es gern hätte gut sein lassen, aber ich hörte nicht mit dem Reden auf, fragte weiter, ließ ihn nicht zum Antworten kommen und bearbeitete gnadenlos seine Schulter. Als ich endlich von ihm abließ, sank er erschöpft in seinen Sitz, ohne noch zu fragen, wer denn die Frau bei mir sei. Ich sah auf die Uhr, wartete genau vier Minuten, zog mein Telefon hervor, rief laut: «Oje», «O Gott», und: «Komme sofort», sprang auf und lief hinaus. Dass Sibylle noch im Kino saß, fiel mir erst im Taxi auf.
    Das Telefon vibriert. Gut, komm!
    Wann?
    Nach drei Sekunden die Antwort: Jetzt .
    Kann nicht , tippe ich. Wichtiger Klient. Aus Gewohnheit kommt es mir wie eine Ausrede vor, dabei ist es die Wahrheit. Ich drücke die Sendetaste und warte.
    Nichts.
    Aber was soll das, warum antwortet sie nicht? Unter Aufbietung aller Willenskraft stecke ich das Telefon ein. Wir sind da.
    Wie immer steige ich auf der Straße aus und lasse Knut allein in die Tiefgarage fahren, ich kann nicht da hinunter, es geht einfach nicht. Schnell durch die Gluthitze, schon öffnen sich Glastüren, und ich betrete die Lobby. Die Liftkabine trägt mich in den zwölften Stock. Ich eile durch das Großraumbüro, sehe überall ähnliche Gesichter vor ähnlichen Bildschirmen. Einige kenne ich, andere nicht, ich bin froh, dass keiner mich anspricht, in letzter Zeit habe ich zu viele Namen vergessen.
    Meine Sekretärinnen begrüßen mich schweigend. Die eine ist schön, die andere kompetent, sie hassen einander, und mich mögen sie auch nicht sehr. Mit der schönen, die Else heißt, habe ich sechs- oder siebenmal geschlafen. Ich hätte sie längst entlassen, aber sie könnte mich erpressen. Mit der anderen, Kathi, habe ich nur ein einziges Mal geschlafen, unter dem Einfluss neuer Medikamente, die mich dazu gebracht haben, allerlei Dinge zu tun, an die ich nicht mehr denken möchte.
    «Herr Klüssen wartet schon», sagt Kathi.
    «Fein!» Ich gehe in mein Büro, setze mich hinter den Schreibtisch, falte die Hände und zähle langsam bis zehn. Dann erst hole ich mein Telefon aus der Tasche. Keine Antwort. Warum behandelt sie mich so?
    Ich verwalte das gesamte Vermögen von Adolf Albert Klüssen, und ich habe alles verloren. Alle Auszüge und Aufstellungen, die er in den letzten zwei Jahren bekommen hat, waren gefälscht. Der Mann ist alt und nicht sehr klug, und wenn ich auch nicht mehr imstande bin, sein Geld zurückzugewinnen, so kriege ich es doch noch hin, beeindruckende Bilanzen zu erfinden und Gewinne auszuweisen, die ich gemacht hätte, hätte ich die Entwicklung des Marktes vorausgesehen. Ich füge den Zahlen dann allerlei Kurven hinzu, in Rot, Blau und Gelb, das stärkt das Vertrauen. Aber jedes Gespräch mit ihm birgt Gefahren.
    Ich stehe auf und trete ans Fenster. Die Aussicht ist spektakulär, man kann sich schwer gewöhnen an so viel Weite und Helligkeit. Wie immer, wenn die Welt mich ungefragt mit Glanz und Glitzern bedrängt, muss ich an Iwan denken, an einen fernen Nachmittag in Arthurs Bibliothek. Wir waren zweiundzwanzig, Weihnachten stand bevor, Iwan war aus Oxford gekommen, ich aus dem Sanatorium.
    «Erzähl!», sagte er.
    Ich hatte kaum Erinnerungen an die letzten Monate. Alles war eierschalengelb gewesen, die Wände, der Boden, die Zimmerdecke, die Kittel der Pfleger. Nachts wusste man nicht, ob die Stimmen, die man hörte, von den anderen Patienten kamen oder aus dem eigenen Kopf.
    «Du musst mitspielen», sagte Iwan, «das ist der ganze Trick. Lügen musst du. Du denkst, die Leute durchschauen dich, aber keiner durchschaut irgendwen. Man kann in Menschen nicht lesen. Du denkst, die anderen kriegen mit, was in dir vorgeht, aber das stimmt nicht.»
    «Ich weiß nicht, wovon du

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