Fabelheim: Roman (German Edition)
bringt Leben in den Garten.«
»Warum ist das ein Geheimnis?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob dein Großvater damit einverstanden wäre. Ich habe nie um Erlaubnis gebeten. Er könnte es für Verschwendung halten.«
»Mir scheint es eine gute Idee zu sein. Mir sind die vielen verschiedenen Schmetterlinge im Garten schon aufgefallen. Es sind mehr, als ich je gesehen habe. Und dazu all die Kolibris.«
Er nickte. »Mir gefällt es so. Schafft zusätzlich Atmosphäre.«
»Also wollten Sie die Milch gar nicht ins Haus bringen.«
»Nein, nein. Diese Milch ist nicht pasteurisiert. Voller Bakterien. Man könnte sich alle möglichen Krankheiten einfangen. Sie taugt nicht für Menschen. Insekten dagegen mögen sie so anscheinend am liebsten. Du wirst mein Geheimnis doch nicht verraten?«
»Ich werde schweigen.«
»Braves Mädchen«, sagte er mit einem verschwörerischen Augenzwinkern.
»Wohin bringen Sie dann diese Schale?«
»Dort drüben hin.« Er nickte mit dem Kopf in Richtung Wald. »Ich stelle jeden Tag ein paar an den Rand des Gartens.«
»Wird sie schlecht?«
»Dafür lasse ich sie nicht lange genug stehen. An manchen Tagen trinken die Insekten alles aus, bevor ich die Schalen wieder einsammele. Durstige kleine Viecher.«
»Wir sehen uns dann später, Dale.«
»Hast du deinen Bruder hier in der Nähe gesehen?«
»Ich glaube, er ist im Haus.«
»Ach ja?«
Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht.«
Kendra drehte sich um und ging auf das Haus zu. Als sie die Treppe zur hinteren Veranda hinaufstieg, blickte sie noch einmal zurück. Dale stellte die Milch hinter einen kleinen, runden Busch.
KAPITEL 3
Der Efeuschuppen
S eth zwängte sich durch das dichte Unterholz, bis er einen undeutlichen, gewundenen Pfad von der Art erreichte, wie Tiere ihn hinterlassen. In der Nähe stand ein mächtiger, knorriger Baum mit dornigen Blättern und schwarzer Borke. Seth untersuchte sein Hemd auf Zecken, wobei er das Tarnmuster genau beäugte. Bisher hatte er keine einzige gesehen. Natürlich würden ihn wahrscheinlich genau die Zecken erwischen, die er übersah. Er hoffte, das Insektenspray, mit dem er sich eingesprüht hatte, würde etwas helfen.
Er beugte sich vor, sammelte ein paar Steine auf und baute eine kleine Pyramide, um die Stelle zu markieren, an der er den Trampelpfad gekreuzt hatte. Wahrscheinlich war es auch so kein Problem, den Rückweg zu finden, aber Vorsicht war nun mal die Mutter der Porzellankiste. Wenn er zu lange fortblieb, würde Opa vielleicht dahinterkommen, dass er seine Anordnungen nicht befolgt hatte.
Seth stöberte in seiner Müslischachtel und holte einen Kompass hervor. Der Pfad verlief nach Nordosten. Er war in Richtung Osten aufgebrochen, aber das Unterholz war im Laufe seines Marsches immer dichter geworden, und es war sicher leichter, dem Pfad zu folgen, als sich mit einem Taschenmesser den Weg durchs Unterholz zu bahnen. Er wünschte, er hätte eine Machete.
Seth folgte dem Pfad. Die hohen Bäume standen ziemlich
dicht und filterten das Sonnenlicht, so dass nur noch ein mit Schatten durchsetzter grüner Schimmer bis zum Unterholz vordrang. Seth stellte sich vor, dass der Wald nach Einbruch der Nacht stockfinster sein musste.
Etwas raschelte im Gebüsch. Er hielt inne und nahm ein kleines Plastikfernglas aus seiner Müslischachtel. Er suchte die Umgebung ab, entdeckte aber nichts, was von Interesse gewesen wäre.
Er ging weiter den Pfad entlang, bis plötzlich keine sieben Meter vor ihm ein Tier aus dem Unterholz kam. Es war ein rundes, borstiges Geschöpf, das ihm nur bis zu den Knien reichte. Ein Stachelschwein. Es schlenderte völlig unerschrocken in seine Richtung. Seth erstarrte. Das Tier war jetzt so nahe, dass er die einzelnen Stacheln erkennen konnte; sie waren lang und spitz.
Als das Stachelschwein weiter auf ihn zugetrottet kam, wich Seth zurück. Sollten Tiere nicht vor Menschen fliehen? Vielleicht hatte es Tollwut. Oder vielleicht hatte es ihn einfach nicht gesehen. Schließlich trug er ein Tarnhemd.
Seth breitete die Arme aus, stampfte mit dem Fuß auf und knurrte. Das Stachelschwein blickte auf, zuckte mit der Nase und wandte sich dann von dem Pfad ab. Seth lauschte, während es im Blätterwerk verschwand.
Er holte tief Luft. Einen Moment lang hatte er wirklich Angst gehabt. Er konnte beinahe spüren, wie die Stacheln sich durch die Jeans in seine Beine bohrten. Es würde ziemlich schwer sein, seinen Ausflug in den Wald zu verheimlichen, wenn er bei seiner Rückkehr
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