Fabelheim: Roman (German Edition)
und immer in eurem Zimmer spielen. Befolgt einfach die Regeln, und wir werden gut miteinander auskommen.«
»Wann kommt Oma zurück?«, erkundigte sich Kendra.
Opa sah auf seine Hände. »Das hängt von eurer Tante Edna ab. Könnte nächste Woche sein. Könnte auch ein paar Monate dauern.«
»Nur gut, dass Oma sich von ihrer Krankheit erholt hat«, meinte Kendra.
»Krankheit?«
»Die, die sie von der Beerdigung ferngehalten hat.«
»Richtig. Ja, sie war noch ein wenig unpässlich, als sie nach Missouri aufgebrochen ist.«
Opa benahm sich etwas eigenartig. Kendra fragte sich, ob er sich in der Nähe von Kindern unwohl fühlte.
»Ich bin traurig, dass wir sie verpasst haben«, sagte Kendra.
»Sie war auch traurig deswegen. Hm, ich mache mich dann mal besser auf den Weg.« Opa hatte nichts gegessen. Er schob seinen Stuhl zurück, stand auf und rieb sich die Hände an seinen Jeans. »Wenn ihr schwimmen geht, vergesst
nicht, euch mit Sonnencreme einzureiben. Ich sehe euch dann später.«
»Beim Mittagessen?«, fragte Seth.
»Wahrscheinlich nicht vor dem Abendessen. Lena wird euch alles geben, was ihr braucht.«
Er verließ den Raum.
Im Badeanzug, ein Handtuch über der Schulter, trat Kendra durch die Tür auf die hintere Veranda. Sie hatte einen Handspiegel dabei, den sie in dem Nachtschränkchen neben ihrem Bett gefunden hatte. Der Griff war aus Perlmutt und mit Strass besetzt. Die Luft war ein wenig feucht, aber angenehm warm.
Sie ging zum Geländer der Veranda und betrachtete den wunderbar gepflegten Garten. Weiß gepflasterte Pfade schlängelten sich zwischen Blumenbeeten und Hecken hindurch, gesäumt von Gemüsegärten, Obstbäumen und blühenden Pflanzen. Alle Blumen schienen in voller Blüte zu stehen. Kendra hatte noch nie so leuchtende Blumen gesehen.
Seth war bereits im Wasser. Das Becken war schwarz und am Rand mit Steinen eingefasst, so dass es fast wie ein Teich aussah. Kendra eilte die Stufen hinunter und ging über einen Pfad zum Pool.
Der ganze Garten summte von prallem Leben. Kolibris schwebten mit fast unsichtbaren Flügeln durch die Luft und huschten durch das Blätterwerk. Riesige Hummeln mit pelzigen Hinterleibern summten von einer Blüte zur nächsten. Eine verblüffende Vielfalt von Schmetterlingen flatterte mit seidenpapierdünnen Flügeln durch den Garten.
Kendra kam an einem kleinen, trockenen Springbrunnen mit einer Froschstatue vorbei. Als ein großer Schmetterling
auf dem Rand eines leeren Vogelbades landete, blieb sie stehen. Der Schmetterling hatte riesige Flügel - blau, schwarz und violett. Sie hatte noch nie einen Schmetterling mit so lebendigen Farben gesehen. Natürlich hatte sie auch noch nie einen solchen Weltklassegarten besucht. Das Haus war nicht direkt eine Villa, aber das Grundstück hätte einem König alle Ehre gemacht. Kein Wunder, dass Opa Sørensen so viel zu tun hatte.
Der Pfad führte Kendra schließlich zum Pool. Der Bereich rund um das Becken war mit farbigen Steinen gepflastert. Es standen einige bequem aussehende Liegestühle bereit und ein runder Tisch mit einem großen Sonnenschirm.
Seth sprang mit angezogenen Beinen von einem hohen Stein aus in den Swimmingpool und klatschte mit einem gewaltigen Platschen ins Wasser. Kendra legte ihr Handtuch und den Spiegel auf den Tisch und griff nach der Sonnencreme. Sie schmierte sich die weiße Creme aufs Gesicht, die Arme und die Beine.
Während Seth tauchte, nahm Kendra den Spiegel und reflektierte damit die Sonne aufs Wasser. Als Seth an die Oberfläche kam, blendete sie ihn mit einem leuchtend hellen Sonnenstrahl.
»He!«, rief er und schwamm in die andere Richtung. Jetzt richtete sie das Funkeln des Spiegels auf Seths Hinterkopf. Seth hielt sich am Rand des Pools fest und drehte sich wieder um. Dann riss er eine Hand hoch und blinzelte, um das Licht abzuwehren. Schließlich musste er den Blick abwenden.
Kendra lachte.
»Lass das!«, rief Seth.
»Es gefällt dir nicht?«
»Hör auf damit. Ich werd’s nicht wieder tun. Opa hat mich bereits ermahnt.«
Kendra legte den Spiegel auf den Tisch. »Dieser Spiegel ist um einiges heller als ein Buttermesser«, sagte sie spitz. »Ich wette, er hat bereits dauerhafte Schäden auf deiner Netzhaut hinterlassen.«
»Ich hoffe es, dann werde ich dich auf eine Million Dollar verklagen.«
»Viel Glück. Ich habe ungefähr hundert auf der Bank. Das könnte zumindest reichen, um dir eine Augenklappe zu kaufen.«
Wütend schwamm er auf sie zu, und Kendra ging
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