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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Klobeckens wankten. Niemand besuchte ihn, er bekam keine Briefe, womöglich hatten die Alten nichts begriffen und rannten aufgescheucht auf der Suche nach ihm durch Krankenhäuser, Kliniken, Notaufnahmen, hier ist er nicht, gnädige Frau, hier wurde niemand mit diesem Namen eingewiesen, die stocktaube Tante reckte den Hals vor, Hä?, oder sie erlaubten ihnen nicht, mit dem Funker zu reden, der sich vorstellte, wie seine Patentante und Esmeralda, schutzlos, unbedeutend, ängstlich aneinandergeklammert, mit Kuchen am Gefängnistor standen,
die sie ihm nicht gaben, mit Zigaretten, die sie ihm nicht gaben, mit Wäsche, die sie ihm nicht gaben, und wie sie schließlich, wobei die Bindfäden ihrer nutzlosen Geschenke ihnen von den Fingern herabhingen, zur kleinen Bahnstation trotteten, an der hin und wieder quietschend ein brodelndes Fensterzittern zum Stehen kam. Die in sich gekehrten Gefangenen isolierten sich, sprachen nicht miteinander, lächelten sich nicht an, stellten keine Fragen, aßen schweigend, voller Mißtrauen, angespannt, sich von der Seite ausspähend, und zumindest ein Teil von ihnen, das würde er schwören, erkannte sich Meilen gegen den Wind, konspirierte in denselben Büros, denselben Fakultäten, denselben Gesellschaften, diskutierte in Lagerhallen, in Hinterzimmern von Autowerkstätten, in rappelvollen Restaurants, in krebsschwärigen Zimmern, selbstbestimmter Sozialismus oder die mittelfristige Realisierbarkeit des Marxismus in Portugal, bewaffneter Kampf, ja, bewaffneter Kampf, nein, Biere, wütende Diskussionen, zornige Meinungsverschiedenheiten, legen wir eine Bombe in die Nationalversammlung, überfallen wir eine Polizeiwache, was fehlt uns außer Fidel?, und noch mehr Biere, noch mehr Diskussionen, noch mehr Zorn, Nur die Organisation, verstehen Sie, machte den Eindruck, daß sie de facto nicht existierte, daß es sich bei ihr um eine raffinierte, bauernschlaue Erfindung von Olavo, von Emílio, vom Glatzkopf war, die Grünschnäbel wie uns in die Irre führten, unseren kleinen Beitrag einkassierten, die Piepen, die wir aus dem Verkauf der schlechtgedruckten Zeitung erwirtschafteten, deren Buchstaben sich uns rußig an die Finger hefteten, und später gingen die drei dann, die Hosentaschen voller Geldscheine, auf unsere Kosten im Portugália oder im Monte Carlo oder im Império oder im Trindade Seespinne oder Krebse oder Krabben essen, klopften sich gegenseitig zufrieden auf die Schultern, der Betrug war perfekt, das Lügenmärchen ideal, eine Wohnung in Linda-a-Pastora für jeden, mit vier Zimmern, Aluminiumrahmen, Heizung und verglastem Balkon, und wenn wir uns bei der Polizei beschwerten, waren wir die Gearschten, weil
wir gegen das Vaterland, die heiligen Überseebesitzungen, die unveräußerlichen christlichen Werte der westlichen Gesellschaft konspirierten. Oder aber, wer weiß, war das alles ganz anders, und dieser kleine, spillerige Typ am Ende des Tisches, der immer Bronchitis hatte, gehört zu uns, der ruhige Mulatte, der in derselben Etagenbettreihe wie ich liegt, gehört zu uns, der ältere Herr, der letzte Woche mit Krücken aus der Krankenstation zurückkam, ist einer von uns, nur sind bestimmt Geheimpolizisten unter den Gefangenen, und sie kommen deshalb nicht zu mir, tun so, als würden sie mich nicht kennen, schauen mich mit zerstreut durchsichtigen Augen an, irgendwann werde ich mit einer chiffrierten Nachricht, Guten Morgen, Genosse, in der Tasche aufwachen, und die verwirrten, steifen Alten sitzen nebeneinander wie ein Paar Kakadus auf einer einzigen Sitzstange, starren auf das schnelle Vorüberziehen von Mauern, Villen, die auf dem Weg nach Lissabon aufeinanderfolgen, übereinanderliegen: gleich wird der Vergnügungspark öffnen, Musik, Rufe, Schreie, die kranken Motoren der Karussells, der Rauch vom Spritzgebäck, die Hunde, die Steaks in Brötchen, die Schatten der Giraffen, die im Achterkarussell kreisen, und Olavo, der mir, halb entkleidet, mit zerzaustem Haar, verzerrt, wild lachend von einem Holzelefanten winkt. Langsam, insgeheim, unmerklich begann er sie zu hassen, nein, ernsthaft, sie zu hassen, Was mache ich hier überhaupt? was werde ich tun, wenn ich hier wieder raus bin?, Emílio und der Glatzkopf besetzten, als Clowns verkleidet, seine Träume, zeigten mit ihren riesigen weißen Handschuhen auf ihn und machten sich über ihn lustig, bespritzten ihn mit Fontänen falscher Tränen aus angemalten Augen, ein unbarmherziger Scheinwerfer zeigte ihn dem dunklen,

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