Fado Alexandrino
Es lohnt sich nicht, daß Sie mich vollquatschen, ich werde keinen einzigen Befehl, den Sie mir gegeben haben, ausführen.
Der Oberleutnant von der Verwaltung, der mit dem Blatt Papier revolutionären Beitritts wedelte, um die Tinte zu trocknen, betrachtete ihn sprachlos: der kleine, den Augenbrauen gleichende Schnurrbart zitterte panisch wie eingeklemmte Gliedmaßen, die Kehle hob und senkte sich aufgeregt: Laßt mich in Frieden, dachte der Oberstleutnant, laßt mich schlafen.
– Sind Sie verrückt geworden, Esteves? fragte fuchsteufelswild der General in einem Graupelschauer aus Rülpsern, einer Welle summender, elektrischer Hagelkörner. (Hauptmann Mendes trat einen Schritt auf der Auslegeware vor.)
– Nein, ich bin nicht verrückt geworden, und Sie haben ganz richtig gehört, Herr General, erklärte der Oberstleutnant mit der sanften didaktischen Geduld eines Liebhabers. Ich habe nicht vor, auch nur einen Strohhalm zugunsten des Regimes zu bewegen.
Er legte den Hörer auf die Gabel (die Stimme von General Mendonça brüllte zwischen Explosionen, Wechselstromfurzen, Bakelitgegähne und Abflußgurgeln, Einen Augenblick einen Augenblick einen Augenblick, heftete den blinden Blick auf das Vorderfenster und reckte sich gemächlich: nur eine ganz kleine Anstrengung, die Hand nach links ausstrecken, das Röhrchen nehmen, es aufmachen, einen der kleinen gelben, bitteren Kreise in den Mund fallen lassen und darauf warten, daß das Blut sich in ihm allmählich eindickt und zu fließen aufhört, bis der Körper reglos in einen tiefen Sumpf aus Bettüchern und Vergessen gleitet, wo seine Finger manchmal die verwesten, widerlichen Gesichter der Verstorbenen berührten, die sich ziellos dahintreibend mit ihren riesigen, anklagenden, geschwollenen Augenlidern näherten und entfernten. Das Telefon weinte ein oder zwei schräge Prosteste und schwieg dann, man hörte ständig Geräusche von Panzerfahrzeugen auf dem Kasernenhof, Soldaten, die sich etwas zuriefen, die heroischen Militärmärsche aus dem Radio, Gelächter, der Kaplan hatte sich in eine Ecke zwischen zwei Fahnen verdrückt,
murmelte mit der grimmigen Visage eines, der beichtet, unhörbare Reden, der Tag schien vor Licht fast zu bersten, durchbohrte die Wolken wie einen weichen Furunkel, der Türgriff drehte sich, und der von der Luftwaffe trat lächelnd ins Büro, Wir haben praktisch alles im Griff, der Oberstleutnant entkorkte ein imaginäres Röhrchen, schüttete den Inhalt in die Handfläche, machte es sich auf dem Stuhl bequem, streckte die Zunge raus, Hauptmann Mendes verkündete, zu mir gewandt, feierlich, Im Namen der Bewegung, Herr Kommandeur, danke ich Ihnen für Ihre Mitarbeit, doch der Oberstleutnant würgte die Rede sofort mit einem schlaffen Krakenwinken der Schulter ab: Welch dunkle Nacht, sagte er sich, was für eine Scheißstille in dieser Wohnung, kein Widerschein, kein Blitzen von Leben in dieser Finsternis. Seine Stimme wogte von ihm ganz unabhängig, tauchte auf und verschwand ebenfalls, wuchs plötzlich an, wurde unvermittelt leiser, verflüchtigte sich manchmal, dem Schweigen nah, in algige Konsonanten, gewann unerwartet Sicherheit, schwächelte wenig später, verknöcherte kurz darauf wieder autoritär und säuerlich, während er zur Putzfrau schaute, die halb angezogen, halb ausgezogen oben auf einem Stapel Akten direkt hinter einem monarchistischen, höchst besorgten Leutnant mit Siegelring einen Strumpf entrollte:
– Sie brauchen hier nicht über die Toppen zu flaggen, Mendes, ich schließe mich aus denselben Gründen nicht der Bewegung an, die mich auch nicht dem Ministerium folgen lassen, hättet ihr angerufen, die Antwort, die ich euch um die Ohren gehauen hätte, wäre dieselbe gewesen: es ist wahnsinnig spät, ich habe drei oder vier Schlaftabletten von den richtig starken im Bauch, das einzige, was mich wirklich interessiert, ist, daß diese Helligkeit endlich aufhört und ich schlafen kann.
Und das Merkwürdigste, erklärte er mir, während er einen zerstreuten Arm über die runden Schenkel der Frau vom Nachtclub wandern ließ, war, daß ich ehrlich war, nein wirklich, hören Sie, vollkommen ehrlich war, daß ich irgendwie noch heute
so denke, daß ich auf Staatsstreiche scheiße, und vielleicht werden sie mich deshalb als General ausstopfen, weil es mir wichtig ist, nicht in der Nacht aufzuwachen, nicht schweißgebadet zu mir zu kommen, geistig vollkommen klar, zutiefst erschrocken auf den zerwühlten Bettüchern zu sitzen,
Weitere Kostenlose Bücher