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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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heraufkommen, die Autos und die Schaufenster mit Steinen bewerfen, die Banken anzünden), sie steckten die Dose mit dem Brei, zwei oder drei Plastikspielzeuge und ein paar noch feuchte, von der Wäscheleine auf dem Balkon gezogene Windeln in den Weidenkorb, Nun mal los nun mal los nun mal los, piepste Inês verzweifelt, die zwischen den Sofakissen, auf dem Tischchen neben dem Plattenspieler, in der Spüle, im Bidet nach den Zigaretten suchte, von Kubanern oder Tschechoslowaken oder Ungarn oder Russen angeführte
Kerle mit riesigen Kinnladen und grauen Uniformen mit Hammer und Sichel am Rockaufschlag zertrümmerten mit Gewehrhieben die Haustür, schlossen uns in der Dusche ein, warfen die Möbel aus dem Fenster, zertrampelten Nippes und Rahmen mit ihren Stiefeln, steckten in Alkohol getauchte Lumpen in Brand, und die drei hörten am Boden zerstört aus dem winzigen, blitzenden Raum mit der Toilette langsam wie eine Uhr das Knacken des brennenden Holzes, das Knistern der Vorhänge und Bettücher, die sich, von den Flammen verzehrt, in Schmerzen wanden, Explosionen von Lampen, das Bücherbord, das donnernd auf den Boden krachte mit seiner wirren Last aus Buchrücken, Papieren, Fotos, Porzellantauben, einer Blechspardose in Form einer mit Nägeln versehenen Truhe, Vasen mit Blumen, deren Stengel wie ängstliche Flammen zum zerstörten Putz der Decke hinaufleckten.
    Sie fanden schließlich die Zigaretten und das Feuerzeug auf dem Fensterbrett (der Leutnant glaubte eine unheilverkündende Stille auf der Straße zu bemerken, auf dem menschenleeren Platz am Ende der Straße hatten sich bestimmt lauter Kerle mit Maschinenpistolen hinter den Bäumen versteckt, bereit, auf uns zu schießen, eine Endzeitstummheit an einem wolkenlosen Morgen), sie trafen weder auf dem Treppenabsatz noch in der Eingangshalle auf jemanden, Inês bürstete ihre verzottelten Haarsträhnen im Fahrstuhl, ich trug Mariana auf dem Arm und den Korb in der freien Hand, die Concierge schrubbte auf Knien eifrig die Treppe (Guten Tag, gnädiges Fräulein, guten Tag, Herr Doktor), und ihre Gebärden und Bewegungen waren die resignierten, alltäglichen, üblichen Gebärden und Bewegungen (Die Russen werden ihr bestimmt die Kehle durchschneiden, die werden ihr schon demnächst den Hals abschneiden), er machte die Tochter im Kindersitz auf der Rückbank des Autos fest, setzte sich hinters Lenkrad, öffnete die Tür auf Inês’ Seite, fühlte etwas Hartes, Rundes in der Hand, öffnete sie, und ein maskuliner Cowboy stieg ihm galoppierend aus der Haut empor, ein leichter herber
Duft breitete sich im Fiat aus, und er sah, daß er, ohne es bemerkt zu haben, den silberfarbigen Verschluß der Rasierwasserflasche mitgenommen hatte (Ich bin wohl doch nervöser, als ich dachte, verdammt), den er am Ende mit einem ärgerlichen Fingerschnippen aus dem Wagenfenster warf.
    – Tschechoslowaken also, Ungarn also, überall wurde rumgeschossen, was? meinte der Funker, während er die Brille aufs Tischtuch legte und die nassen Wangen mit dem Taschentuch trocknete. (Wie ausgezogen sein Gesicht aussieht, dachte ich, wie niederschmetternd nackt, obszön so ohne die Brille.) Millionäre, die Ausbeuter der arbeitenden, schutzlosen Klassen, verlassen feige das Land und schleppen ein Vermögen in After-shave-Verschlüssen mit sich.
    Aber nein, der Verschluß blieb dort, leicht glitzernd wie Fensterscheiben, zwischen zwei Gehwegsteinen zurück, bis er von irgendeinem Kind zerbeult oder weggefegt oder zermalmt oder aufgehoben wurde, und dann, jetzt am Morgen fast ohne Verkehr, nur von wenigen faulen, buckligen Lastwagen befahren, wieder die Büsche und Bäume der Autobahn, Fabriken, die rasend schnell nach hinten verschwinden, die Umleitung von Estoril, die Zufahrten zum Stadion und dort hinten, leuchtend blau, von der verwischten Linie Barreiros gesäumt, das Meer, die Wut der Wellen an der Mauer, der unvermittelte, merkwürdige Geruch nach Sonntag mitten in der Woche, nach Nichtstun, nach Feiertag, Nicht-zur-Arbeit-Gehen, dem nur die üblichen Angler auf der Höhe von Caxias, von Paço de Arcos fehlten, die mutig die Abgase einatmen, reglos, heroisch und mit Gummi bedeckt wie weiche Denkmäler der Geduld.
    – Herr Oberleutnant, Sie können sich ja soviel darüber lustig machen, wie Sie wollen, sagte der Soldat zum Funker, aber sosehr Sie auch darüber scherzen, man merkt doch, daß Ihnen die Macke mit dem Kommunismus noch nicht endgültig abhanden gekommen ist.
    Da lag der Strand von

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