Fado Alexandrino
Körper der alten Frauen verstellten ihm die Mauer, die Eisenspitzen, die Zementtürme, er ließ den stillen, bewundernden Typen mit der Gitarre am Marques de Pombal raus (Was hat dieser Blödmann denn in Caxias gemacht?), die Statue, der Löwe, der Park, dieser ganze Quatsch, und dann hielt der Fahrer an der
Haustür und erklärte feierlich, Sie brauchen nichts zu bezahlen, ich war schon seit jeher bei der Opposition, der Regen hörte auf, er machte sich wieder zum Nachtclub auf, erreichte die abgewetzte Fußmatte in der Eingangshalle, drückte auf die Klingel, hörte die Stimme des Soldaten neben sich, Wieder ganz hergestellt, Herr Oberleutnant?, und da, in der dürftigen roten Helligkeit des Treppenabsatzes, meine Herrschaften, mit blond gefärbten Haaren, geschminkten Wangen, schrillen Plastikketten, jede mit ihrer Champagnerschale in der Hand, den Oberstleutnant und den Leutnant um Zigaretten anschnorrend, die ihre wie bei Wiederkäuern knochigen Taillen umarmten, winkten die Tante und Esmeralda von sehr fern, unscharf, über die Jahre hinweg und schickten ihm ein langsames, gieriges (Hast du ein paar Scheinchen, Süßer?) Lächeln ohne Gefühl herüber.
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Er rasierte sich gerade im kleinen konkaven Spiegel, zog die Haut am Hals mit den Fingern glatt und entdeckte unerwartete, riesige Haare in Stengelgröße, war genervt, weil es schon spät war, er an der Praça da Alegria in einen wahnsinnigen Verkehr geraten würde, und hatte gerade einen fatalen Schnitt in die Koteletten gemacht (Ich werde sie ganz abrasieren müssen und kriege dann so ein gräßliches Ostereigesicht), als das Telefon drei- oder viermal klingelte, er hörte Inês’ schlaftrunkene Stimme Ja, bitte? fragen, eine lange Stille, den Hörer, der aufgelegt wurde, er nahm die grüne Rasierwasserflasche, die ihm eine der Schwägerinnen zum Geburtstag geschenkt hatte, und als er den kleinen Metallverschluß aufschraubte, sah er das verstrubbelte Gesicht seiner Frau hinter seiner Schulter, mit offenem Mund, mit von den rußigen Flecken des Make-ups umgebenen, urplötzlich wachen Augen, ihre Hand stützte sich auf das Waschbecken, kratzte sich unter der Achsel, berührte ihn am Arm.
– Anfangs dachte ich, meine Schwiegermutter hätte einen Herzkasper gehabt, Herr Hauptmann, sagte der Leutnant, indem er dem Funker, der wie ein sterbender Spatz auf dem Stuhl zusammengesunken war, beschützerhafte, freundschaftliche Klapse auf die klatschnassen Rippen gab. Einen Herzanfall, eine Thrombose, ein Aneurysma, irgendeinen Anfall, der ihr ein für allemal den Garaus gemacht hätte, meine Erleichterung können Sie sich sicher vorstellen? Dann wäre Schluß gewesen mit den Anrufen, Schluß mit den Abendessen, Schluß mit den endlosen todlangweiligen Abendveranstaltungen, bei denen ich, eine Zigarette zwischen den Fingern, auf einer Sofakante sitze und zuhöre, wie von Gräfinnen und Fátima geredet wird.
– Das war meine Mutter, murmelte Inês gedämpft, in ungewohntem Tragödientonfall. (Und meine Hoffnungen gingen den Bach runter, meine Freude fiel wie ein Segel in sich zusammen: das Monster lebte und nervte weiter.) Heute nacht hat es eine kommunistische Revolution gegeben, in der Unterstadt wird herumgeschossen, die kleinen Leute wollen ordentliche Menschen an den Laternen aufknüpfen. Mutter sagt, wir sollen so schnell wie möglich nach Carcavelos kommen, stell dir vor, eine Bande Zuhälter stürmt unsere Wohnung und nimmt Mariana mit.
Männer mit blutunterlaufenen Augen, betrunkene Maurer, Automechaniker, die auf Vergewaltigungen und Tafelsilber scharf sind, Schuhputzer, die mit riesigen Bürsten auf arme, schutzlose Unternehmensvorstände eindreschen: die geöffnete Rasierwasserflasche strömte den herben maskulinen Duft des herkulischen, hoch zu Roß sitzenden Cowboys auf dem Etikett aus, die Kleine begann im Schlafzimmer zu weinen, der Leutnant, in Unterhosen, schaute blöd auf den Metallverschluß in seiner Handfläche, konnte sich zu nichts entscheiden, seine Gedanken stockten, trieben dahin: Und jetzt? Aus dem Herumgewirbel schloß er, daß sich Inês eilig anzog, ohne sich zu waschen, die Wäscheschubladen so kräftig aufzog, daß sich alles wahllos auf den Boden ergoß. Er fuhr mehrfach mit dem Kamm durchs Haar, verfehlte immer den Platz für den Scheitel, zog ein Paar Hosen, ein Hemd, eine Jacke, nicht zusammenpassende Strümpfe, die erstbesten Schuhe an, wobei er die Fußspitze auf die Überdecke setzte (Sie werden mit Gebrüll die Avenida
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