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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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zu dem Tag, an dem sie, gealtert und dreckig, mit einem Baby auf dem Arm und einem Haufen Kinder verschiedensten Alters am Rockzipfel, bei mir im Lager erschien. Sie bat mich, ihr Geld zu leihen, denn der Mulatte war aus dem Restaurant am Flughafen rausgeworfen worden, weil er gestohlen hatte oder irgend so etwas.
    Er half gerade dem Alten dabei, ein Sofa in den Lieferwagen zu schieben, als einer der Kollegen ihn vom Fuß der zur Straße führenden Zementrampe aus rief: Da oben wartet jemand auf dich, Abílio, eine Tusse und etwa zehn Negerkinder, die seit einem halben Jahr keine Seife mehr gesehen haben.
    – Könntest du mir bitte mal sagen, was diese Wut gegen den Schwesternberuf soll? erregte sich Odete. Könntest du mir bitte mal sagen, was du dagegen hast, daß ich was lerne?
    Das Umzüge Ilídio lag an der Rua Luciano Cordeiro beim Intendente, ich kannte die Nutten der Umgebung alle ganz genau, hin und wieder kriegte ich eine gratis und stieg hinter spindeldürren Mädchen, deren Augen mit Steinkohle angemalt waren und deren Nagellack abgeplatzt war, im Dunkeln steile, wacklige Treppen zu kurzen, ungelenken Begattungen in heruntergekommenen Eisenbetten hinauf, fing in ihren engen Eulenlöchern, während
ich in Unterhosen und Unterhemd, die Achseln kratzend, auf dem Emaillebidet hockte, ein Gespräch mit ihnen an, fuhr sie im Laderaum des Lastwagens zwischen kippligen Möbelstapeln zur Arbeit nach Cova da Piedade, nach Seixal, nach Amora, in die Nähe der räudigen Fabriken von Barreiro oder der Kaserne der Marineinfanteristen, wo sie an staubigen Straßenrändern die Hinterbacken schwenkten, wir aßen, wenn es sich traf, in den rauchigen Kneipen der Sargträger, die es rund um das Leichenschauhaus gibt, und daher dachte ich, das ist Dolores oder Berta oder Celeste, die mit mir reden wollen, Adelaide, die wie üblich möchte, daß ich ihr die Ohrringe oder das Goldkettchen beim Pfandleiher auslöse, Mafalda, die Arme, die sich über ihren Zuhälter beklagt und so weiter, brachte ruhig das mit dem Sofa zu Ende, zurrte es mit Seilen an den rostigen Eisenkrampen fest, stieg die Rampe in Richtung Sonne hinauf (Zweige, Schornsteine, schemenhafte Gebäudeprofile), ging am Glaskäfig des Büros vorbei, wo Senhor Ilídio, die Asthmapumpe vergessen in der Hand, mit wilden, besiegten Äuglein seine Blume anschaute, ein Rock, eine Strickjacke, ein irgendwie bekannter, irgendwie vertrauter Körper, Arlete?, dachte er, doch die hier war größer und dicker als Arlete, zudem schlechter gekleidet, Nein, nicht Arlete, Umrisse eines Gesichtes, das die übermäßige Helligkeit auflöste, vom Licht zerfressene Schultern, eine Traube winziger Formen, die sich darum herum bewegten, Es ist ganz sicher Clotilde mit ihren ewigen räudigen Hunden, den Dutzenden von humpelnden Straßenkötern, die sie immer begleiteten, ihr die Krampfadern in leidenschaftlicher Unterwürfigkeit leckten, und fünf Meter weiter Haarsträhnen, die gekämmt werden mußten, Pantoffeln, mit Warzen bevölkerte Finger, ein Gesicht, das, verstehen Sie, dem meiner Schwester ähnelte und mich ohne ein Lächeln anstarrte, Von wegen Clotilde, sagte sich der Soldat, die Hunde von Clotilde, das hast du dir so gedacht, ein Haufen dunkler Kinder mit spillerigen Gliedern, die sich an die ruinierten Beine klammerten, Das kann nicht sein, dachte ich, Das kann nicht angehen, dachte ich, Seit wie vielen
Jahren? vier? fünf? dachte ich, die Zähne grün, die Kleidung zerknautscht, der Ring mit den Initialen auf dem Mittelfinger, nicht Arlete, nicht Clotilde, nicht Berta, nicht Mafalda, meine Schwester, und sie, während sie den Säugling fester in ein dreckstarrendes Umschlagtuch wickelte, ohne Gefühl, Hallo.
    – Also gut, studier, was du willst, und vergiß die Kirche, willigte der Soldat ein. Ich kümmere mich um die Papiere, gebe sie nächste Woche beim Standesamt ab.
    – Zwei Schwachköpfe, verdammt, beharrten die riesigen Brüste der Großmutter, die die Kohle im Herd mit einem krummen Spieß anfachte, zwei Schwachköpfe erster Güte. Mit deiner Kretinsvisage wird du es bestimmt auch nicht viel weiter bringen, Junge.
    Nicht nur arm, dachte der Soldat, auch verbraucht, und nicht nur verbraucht, darüber hinaus noch verbittert und noch schlimmer als verbittert, ohne Hoffnung: Dolores, Adelaide, Mafalda erwarteten wahrscheinlich etwas, was weiß ich, von der Zukunft, eine Erbschaft im Dorf, einen wohlerzogenen Herrn, der Buchhalter oder Bankangestellter oder

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