Fado Alexandrino
aus dem Krieg auf Urlaub nach Lourenço Marques, und die Seufzer der Kranken verließen uns in der ganzen Nacht nicht eine einzige Sekunde lang, und wir steckten den Mund, die Nase, die Ohren zwischen die Titten einer Negerin und hörten sie, so ein Scheiß, immer noch, wie sie sich in der Krankenstation der Kaserne bewegten, wie sie jammerten, den Laden verlassen, bevor es Tag wird, Herr Hauptmann, mit Ihnen in den zweiten Stock in der Rua da Mãe-d’Água hinaufgehen, die gelbe Papierlampe anknipsen, allen Whisky einschenken (im Schrank sollten genügend Gläser sein) und mit der Assistentin des Zauberers in Marianas Zimmer verschwinden, das zum beleuchteten Brunnen hinausgeht, nackt über dem unbedeutenden Körper der Frau strampeln, inmitten der Puppen, der Gummienten und Plüschbären, die auf den Borden sitzen und uns mit den ausdruckslosen, dummen kleinen Porzellanpupillen forschend ansehen.
– Und wie lange waren Sie in Brasilien, Herr Leutnant? fragte der Soldat, den die Lampen im Nachtclub abwechselnd zeigten und verbargen: ein asymmetrisches unregelmäßiges Gesicht, riesige grüne Zähne, tiefliegende Augen, unebene Bimssteinhaut, die feucht war von seifigem Schweiß. Und wie lange haben Sie dort gearbeitet?
– Der Alte starb trotz der Infusionen, trotz der Apparate, trotz der Urinflaschen zwei oder drei Tage später an einem Aneurysma, sagte der Funker. Wir hielten im Sitz der Organisation Totenwachen und haben ihn in einem Sarg mit eingraviertem Hammer und Sichel, bedeckt mit der roten Fahne des wahren Marxismus-Leninismus-Maoismus, und mit Dutzenden von zutiefst überzeugten Parteimitgliedern mit erhobener Faust dahinter zur Beerdigung gebracht. Olavo und Lopes hielten auf dem Friedhof inmitten der Kreuze, der Grabstätten und der Gipsengel Reden im Namen des trauernden Proletariats, Dália warf eine Nelke auf das Grab, eine alte schwarzgekleidete Dame weinte auf den Cellisten gestützt, der sich für den Anlaß im glänzenden Konzertfrack
einstellte, der Rest der Familie verschwand heimlich, höchst peinlich berührt, als wir im Chor die Internationale verstimmten. Bei der nächsten Versammlung des Sekretariats beschlossen wir einstimmig, daß das für Pressekonferenzen vorgesehene Zimmer, ein heruntergekommenes, fast schon vor Altersschwäche zusammenfallendes Kabuff mit leeren Bierflaschen in einem Schrank ohne Tür ab sofort Raum Alfredo da Conceição Pires heißen sollte, wir enthüllten ein Bild des Alten an der schmalen Wand zwischen zwei Fenstern, wo der tapfere Genosse in einem Emaillerahmen mit einer unscharfen Automatengrimasse lächelte.
– Siebenundzwanzig Monate, antwortete der Leutnant. Siebenundzwanzig und ein paar Zerquetschte, genauso lange wie im Krieg.
– Irgendwann, wenn ich es am wenigsten erwarte, murmelte der Oberstleutnant mit einem nachdenklichen kleinen Seufzer, werde ich als nächster an einem Aneurysma abkratzen. Ich muß demnächst mal vormittags zum Arzt gehen und meinen Blutdruck messen lassen.
In der ersten Zeit drängelten sich die Schwiegereltern, die Schwägerinnen, die Schwager, Inês, Mariana, drei Dienstmädchen und er in einer winzigen Wohnung in São Paulo, in der man ständig aufeinander und gegen die endlos vielen schweren Koffer stieß, deren Metallverschlüsse plötzlich aufsprangen wie verchromte Grashüpfer und Strümpfe und Unterhosen erbrachen, sie schliefen auf Matratzen auf dem Flur, im Wohnzimmer, in der Küche, wo ein kaputtes Rohr perfide die ganze Nacht lang tropfte, die Stadt kam ihm unangenehm und grau, vom Verkehr japsend vor, portugiesische Freunde der Eltern von Inês kamen und gingen ständig wie Figuren in einem Wetterhäuschen, klagend und bitter, das Militär, das gemeine Volk, die Kommunisten verfluchend, die Dame mit dem lila Haar wollte darauf wetten, daß der Vatikan ein Schlupfwinkel von russischen Kardinälen sei, die um den Papst herum ketzerische Verschwörungen gegen die
Jungfrau von Fátima ausheckten. Die Schwiegermutter, stets mit wirrem Haar, immer in Morgenmantel und Pantoffeln, saß dem Durcheinander zwischen Geschrei und Beruhigungspillen vor, Bügel mit Kleidern und Jacken hingen an Wäscheleinen, Dutzende von Kindern, die unter den Möbeln, aus dem Inhalt der Schubladen, aus den Tiefen der Truhen herauskamen, hörten nicht auf zu weinen, gegessen wurde im Stehen mit Plastikbesteck von Papiertellern, fade Mittagessen, die nach Siel, nach trockener Kacke und nach Autoabgasen schmeckten und in durchsichtigen
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