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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Schachteln von der Straße mitgebracht wurden, Nun, sehen Sie, wohin die Freiheit führt, Jorge? sehen Sie, wohin die Demokratie führt, Jorge?, und hin und wieder steckte Inês’ Mutter einen Schlüssel in eine kleine Schatulle, wühlte verstohlen darin herum, kleidete sich ein, verschwand mit einem Beerdigungsgesicht einen Vormittag oder einen Nachmittag lang und kam jünger, mit frisiertem Haar, mit Geschenken für alle und einem Bündel Scheine in der Handtasche wieder zurück: in der ersten Zeit, Herr Hauptmann, lebten wir davon, daß sie ihre Ringe zum Pfandleiher trug, bis ich eine Arbeit in einem Büro fand und wir in eine größere Wohnung in Santos, fast am Hafen, umzogen, neben ein Paar mittleren Alters aus Neapel, das sich in den Pausen seiner Streitereien und Chiantitrinkereien damit vergnügte, nächtelang brüllend laut Opern zu hören.
    – Und unter das Foto, erklärte der Funker, haben wir ein Rechteck geklebt, Für Alfredo da Conceição Pires, Märtyrer der Freiheit. Nach dem Sieg des Marxismus-Leninismus-Maoismus über die Bourgeoisie würden ein Boulevard, ein Park, eine Fabrik, ein ganzer Stadtteil, ein Fischkutter seinen Namen bekommen, wir schrieben der Witwe auf Papier mit dem Briefkopf der Organisation einen Brief, in dem wir sie zur zukünftigen Unsterblichkeit ihres Ehemannes beglückwünschten, eine Woche später bekamen wir einen Brief zurück, der an Olavo adressiert war, und drinnen, mitten auf der Seite, stand in Großbuchstaben GEHT ZUM TEUFEL.

    – Ein Aneurysma, redete der Oberstleutnant mit sich selber, während seine Glubschaugen über einen Flaschenwald schweiften, warum ist mir, verdammt noch mal, diese Möglichkeit noch nie eingefallen?
    – Cholesterin großartig, Röntgenaufnahmen großartig, Elektrokardiogramm ausgezeichnet, bellte der Arzt, während er die Laborergebnisse mit einer enttäuschten Fratze wegschob. (Die Kuppeln der Basílica da Estrela funkelten hinter der quadratischen Haube der Krankenschwester in der Sonne.) Sie möchten nicht zufällig meine Gesundheit gegen Ihre tauschen?
    – Jaime, fragte die Schwiegermutter ihren schlaffen Mann, der, die Pfeife zwischen den Zähnen, vor dem ewigen Fernseher ohne Ton saß, haben Sie schon die grauenhaften Nachrichten aus Lissabon gelesen? Die haben eine Revolution gemacht, um den Kommunisten den Garaus zu machen, und am Ende haben sie sie wieder ans Ruder gebracht. Die Armen, die dort geblieben sind, ich mag gar nicht daran denken.
    Man konnte die Kais, die Docks, die dreckigen, mit Kränen gespickten Pontons, das graue Meer, viel Rauch, festgemachte ausländische Schiffe sehen. Ich ging morgens früh aus dem Haus, arbeitete den ganzen Tag, kam spät mit dem Bus, von Frauen, Paketen und Mulatten zerquetscht, zurück, verließ Inês, die schlafend mit offenem Mund den Kopfkissenbezug abweidete, und traf sie wieder an, auf dem Sofa des Wohnzimmers todmüde ausgestreckt, eine Zeitschrift mit buntem Titelblatt aufgeschlagen auf den Knien, und Mariana, die fragend und beunruhigt um sie herumtrabte und eine Stoffgiraffe in der ausgestreckten Hand hielt. Die Schiffe stießen ein rauhes Muhen aus, schwarze Träger, die in der Ferne winzig aussahen, verschwanden unter den Ellenbogen der Kräne oder in den Holzhäusern der Lager, die Wäsche, die gewaschen werden mußte, häufte sich im Weidenkorb, dreckiges Geschirr stapelte sich in der Küche, eine rauchige, melancholische und übelriechende Nacht breitete sich im Schlafzimmer aus, und während ich den Herd für das Abendessen einschaltete und dabei
den endlosen epischen Streitereien der Nachbarn, die verzerrt in den Aluminiumabflüssen brodelten, der herrischen Klingel des Telefons zuhörte und während ich den Topf mit Wasser auf das Feuer stellte, um die Nudeln zu kochen, Haben Sie schon gelesen, daß die Kommunisten weiterhin in Portugal regieren, Jorge? haben Sie schon gelesen, daß diese Atheisten immer noch die Herren von allem sind?
    – Es gibt Leute, resignierte der Funker, die, sosehr man sich auch anstrengt, so wissenschaftlich man ihnen auch die Wahrheit zeigt, die Revolution einfach nicht verstehen können: Sehen Sie, ich brauche da gar nicht weit auszuholen, die Witwe von Pires ist so jemand. Sie hat sich nun mal in den Kopf gesetzt, daß der Marxismus ihren Mann umgebracht hat, und dagegen ist kein Kraut gewachsen, Herr Hauptmann.
    – Bei einem Aneurysma, fuhr der Oberstleutnant leichthin fort, als würde er träumen, explodiert man plötzlich, man

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