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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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jede Menge Mao-Tse-tung-Büsten auf den Häkeldeckchen der Kühlschränke geben.
    Wenn ich die Augen schnell schließe, dachte der Leutnant, der an den Fensterrahmen gelehnt dastand, währt die Dunkelheit ewig und rettet mich davor, zu sehen, wie sich der Morgen auf die erschöpften Gesichter dieser Tussis legt, weil es nichts Schlimmeres auf der Welt gibt, Herr Hauptmann, als die Fresse einer Hure bei Tageslicht, nach Stunden über Stunden Zigaretten und falschem Champagner, nichts Schlimmeres als diese trüben Fledermausiris, diese extravaganten Pelzmäntel ohne Fell, diese zerschlissenen Stolen, diese Schuhe mit den schiefgelaufenen Hacken, diese Glasperlenhandtaschen, diese tragischen Weißclowns mit langen roten oder silbernen oder blonden oder schuhcremeschwarzen Haaren, als diesen Totengeruch nach Schweiß und billigem Parfüm, dieses zahllose Klingeln von Armreifen, dieses Rascheln von Kleidern, dieses Aneinanderklicken von Ketten, als diese Tarantelfrauen in Netzstrümpfen und überkurzen Röcken, mit hochgezogenen Augenbrauen und riesigem scharlachrotem Lachen auf den geschminkten Wangen, die mich vom Boden aufheben, die mich auf den Arm nehmen, mich geschickt wie Ammen ausziehen, mir die Decke zurückschlagen, mir das Kissen aufrichten, mir die Betttücher öffnen und mich ins Bett legen

    (Ich werde nicht wieder in die Wohnung zurückkehren, verdammt, ich werde nicht wieder da oben hinaufgehen)
    und so wird, wenn ich schnell die Augen schließe, die Dunkelheit ewig anhalten, und ich sehe den Soldaten nicht, wie er die eingeschlafene Mulattin umarmt, ich sehe nicht, wie seine Finger dringlich in der weiten, reglosen Düne ihres Leibes herumwühlen, den ein kurzer, schütterer, harter, abstoßender Rasen bedeckt, ich sehe Melissa, die Göttin des Striptease, nicht, wie sie auf der dreckigen Auslegeware ihren Körper frenetisch mit dem des Oberstleutnants mischt, dabei jault und sich windet und bewegt wie ein Tier, das geboren wird
    (Morgen werde ich meine Sachen vom Büroboten holen lassen, die Kleider, Briefe, Bücher, morgen werde ich Ihre Tochter verlassen)
    dann sehe ich den Funker nicht, wie er eine der Schwestern grunzend gegen ein Bord drückt, das quietscht und wackelt, dann höre ich ihre Rufe, ihre kleinen Schreie, ihre gespielte Begeisterung, ihren nachgemachten Orgasmus nicht, der rüttelnd Rahmen, alte Münzen, kleine Elfenbeingegenstände umwirft, dann erlebe ich die steinerne, enttäuschte Stille hinterher nicht, auch die Mulattin nicht, die ihre riesigen Schenkel wegzieht, und den Soldaten nicht, der, den Hintern in der Luft, unermüdlich wie ein Insekt auf allen vieren um die Puddingumrisse ihrer Brust und ihres Bauchnabels summt, und ich sehe Sie nicht, Herr Hauptmann, wie Sie Ihr Kinn in den Hals oder die Schultern des anderen klapperdürren Zwillings drücken, dessen Taille packen, über dessen Proteste, dessen nachgeäfften Zorn, dessen echte Zufriedenheit spotten, ich schließe schnell die Augen und sehe weder die in der Leere fahrradfahrenden Beine noch die nassen Bäuche, noch die heiseren, drängenden stimmlosen Stimmen
    (In Ordnung, gnädige Frau, ich nehme alles, was ich gesagt habe, zurück, nichts für ungut, Ihre Tochter und Ihre Familie sollen
sehen, wie sie klarkommen) noch die sich zermalmenden, sich raspelnden, sich reibenden, nässenden Häute, schnell die Augen schließen
    (Nicht einmal fünf Monate später, murmelte der Oberstleutnant durch die verlegenen Lippen, im Mai sind wir sieben Jahre verheiratet)
    mich wahnsinnig anstrengen und nicht an dich denken, an deinen flachbrüstigen, aufgeregten Leib einer Eidechse mit Tetanus, an deine unheilbare ständige Unordnung, an die Trauben von Handtaschen, die an den Türknäufen hängen, an deine gräßlichen angebrannten Abendessen, bei denen man die Topfböden mit der Gabel auskratzen mußte, an die Fettflecken, die du nie aus meinen Hemden kriegtest, die Mulattin blies in ihrem Schlaf fibröse Schnarcher
    (Regen Sie sich nicht auf, gnädige Frau, regen Sie sich nicht auf, ich gehe jetzt)
    und der Brunnen, die Bäume und die Stufen zum Príncipe Real, meine Einsamkeit altert im zweiten Stock der Rua da Mãe-d’Água inmitten von Staub und Unordnung, der Soldat steht ungestüm auf, um sich in die Toilette zu übergeben, noch mehr Whisky, noch mehr Gin, noch mehr Martini, noch mehr Bier, noch mehr von diesem Rest Wodka vom Militär aus der Speisekammer, ich öffne die Flaschen und verhindere den Morgen, lasse die

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