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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Metallkapseln springen, und die Nacht geht weiter, niemand, kein Gesicht aus der Vergangenheit erscheint in den toten Spiegeln, kein unförmiges Gesicht wird von den polierten Oberflächen zurückgeworfen, meine Eltern seufzen in den Nebenzimmern, die Uhr im Wohnzimmer tropft identische metallene Minuten, es ist immer fünf Uhr, Inês, es wird in diesem Haus immer fünf Uhr sein, die Papierlampe wird immer hin und her schaukeln, die Assistentin des Zauberkünstlers berührt mich an der Schulter, die Lampen der Müllwagen gehen an und aus wie große grüne Herzen, die Rippen der geschlossenen Jalousien

    (Sieben Jahre verheiratet, man stelle sich das vor, sieben Jahre, in denen ich mich zu Tode langweile, lebendig begraben bin, sieben Jahre verheiratet, und dabei ständig einen finsteren Fasan aus Perlmutt vor der Nase)
    jemand läßt etwas aus Glas oder Porzellan auf den Boden fallen, und das Geräusch schmerzt mich wie eine Wunde, die Assistentin des Zauberers zieht mich an der Krawatte, an der Jacke, knöpft mir das Hemd auf, noch mehr Whisky, die Schnitze ihres Mundes bewegen sich vor und zurück, formen Wörter, ganze Sätze, die sich auflösen, ohne daß ich sie gehört hätte, ein kleines bißchen Ginschaum brodelt an ihrem Kinn wie Wasserstoffperoxyd auf einem Furunkel
    (Ich habe Inês nie wiedergesehen, Herr Hauptmann, habe nie wieder etwas von ihr gehört)
    wir driften durch eine Art dichtes Wasser den Korridor entlang bis zu dem verstorbenen, weißgestrichenen Zimmer von Mariana, das zu den gelöschten Scheinwerfern hinausgeht, zum Brunnen im Schatten, zum zahllosen Zischeln der Bäume, die Unterhosen verheddern sich mir an den Knien, die Strümpfe verheddern sich an den Füßen
    (Aber was heißt hier Revolution, verdammt noch mal, es wird in Portugal nie eine Revolution geben)
    ich stolpere über den Oberstleutnant, der wie ein Kind auf allen vieren nach einem Flaschenhals Gin sucht, und schließlich versinke ich, ein Jackenärmel hängt noch an meinem Handgelenk, inmitten der Puppen, der Bakelitenten und der Plüschbären, die mich, auf den Borden sitzend, mit ihren dichten, ausdruckslosen, dummen Plastikpupillen forschend ansehen.

Dritter Teil
Nach der Revolution

1
    – Nachdem Odete gegangen war, sagte der Soldat, blieben der Alte und ich allein in der Wohnung zurück, Herr Hauptmann, kauten schweigend die grausigen Armeeeintöpfe der Krankenschwester, die hin und wieder mit einem vagen Staubtuch über die Möbel fuhr und die Wäsche und das Besteck in den Schrankschubladen an den verkehrten Platz legte. Jetzt wird er mit der Buchhalterin zusammenziehen, jetzt werde ich die Fresse dieses Weibsstücks bei Tisch sehen, aber warum auch immer, er hat nie zugelassen, daß jemand den Platz von Dona Isaura einnahm, hat niemals eine, sei sie hübsch oder häßlich, in das riesige Bett aus Ebenholz eingeladen. Und so setzten wir uns wie ein Ehepaar, das sich nichts zu sagen hat, am Abend auf dasselbe Sofa vor den laufenden Fernseher, während er sich den Bauch unter dem Unterhemd kratzte oder sich, immer scharlachroter, immer keuchender, immer angstvoller, die Asthmapumpe in den offenen Rachen ausdrückte, sich am Ende der Sendung schlurfend und japsend zur fernen Dunkelheit des Schlafzimmers schleppte, ich hörte ihn, wie er sich bei den Antipoden schneuzte und hustete, wie er Wasserhähne auf- und zudrehte, den Gasbrenner überprüfte, den Türriegel vorschob, hörte, wie die Matratze und die Bretter ächzten, wenn er sich hinlegte, und wenn ich in meinem Kabuff das Licht ausmachte, dann waren da der Garten, das schwarze Glitzern der Kohlpflanzen, sacht wogend vor der verfallenen Gartenmauer, die die Farbe von Kaffee mit Milch hatte. Doch am meisten beeindruckte mich die Totenstille der leeren Zimmer, Herr Hauptmann, die unvermittelte, unerklärliche Traurigkeit der Anrichte und der Stühle, der Fotos, die plötzlich neblig, plötzlich fern waren, die mit einem Mal mit einem unerwarteten Sinn erfüllten
Gegenstände, das vollständige Fehlen von Stimmen, von Streit, Wispern und häuslichen Geräuschen, das Aquariumnichts, das absolute, unheilbare, dichte Aquariumnichts, in dem wir wohnten. Denn mit dem Auszug von Odete, verstehen Sie, begann langsam unser Todeskampf, große Insekten oder schwarze Karavellen trotteten oder schwebten wahllos in den Spiegeln, die kaputten Rohre tropften Sanduhrminuten in Plastikeimer, durchgebrannte Glühbirnen beleuchteten das Dunkel der bitteren fernen Gesichter der

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