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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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hallten in den Sälen ohne Kommoden wider, man glaubte den Strom durch die Leitungen gleiten zu hören, das Wasser rann stoßweise, erdig und rostig aus den Hähnen in das Steinbecken in der Küche, dessen runder Abfluß erschrocken aufgerissen war wie der Rachen eines Verstorbenen. Der Soldat schloß sich in sein altes Zimmer am Ende des Flurs ein, dessen Decke schief war wie eine Thrombosegrimasse, bewaffnete sich mit einem schimmligen Stapel Zeitschriften, deckte sich, halb angezogen, halb ausgezogen, irgendwie mit einer Decke zu, die ihm die Haut verbrannte, und wenn es nicht regnete und kleine Tropfen ihn nicht zusammen mit den Blättern der Bäume und dem leichtesten Müll mit sich zu den Sielen rissen, löschte er die Metallampe am Ende eines Abenteuers von Cisco Kid, Zorro oder Mandrake und bemerkte, wie jenseits des Fensters das unruhige Meer der Kohlpflanzen in der Nacht knisterte, seinen schaumigen Aluminiumglanz, in dem ein verlassener Wäschetrog schipperte, die Ruhe der Kais der Hühnerställe, die Flügeltaschentücher, die auf den Sitzstangen winkten, die Erinnerung an den Stummen, der in Pontinha, von Kindern umgeben, schnarchte, dessen Schwiegermutter, die in einer Hängematte schniefte, die Frau, die den von Branntwein dichten Körper mit ausgestreckten Armen wegschob, die Concierge im großen Bett ohne mich, die ihre Brust, die Wangen, den Bauch an den sauren Hautgeruch preßt, mit dem ich
die Bettücher gedüngt habe. Er blieb in der Wohnung am Campo de Santana, die Decke tat ihm weh, die Träume hatten wie ein kalter Motor Schwierigkeiten, in Gang zu kommen, und die Federn der Hühner schwebten weiß auf der anderen Seite der Fensterscheiben, das Asthma von Onkel Ilídio und das Schnarchen von Dona Isaura erschreckten ihn, ein Hund jaulte die ganze Nacht, und er verspürte den Wunsch aufzustehen, in den Flur hinauszutreten, weil du wahrscheinlich noch immer lernst, Odete, weil du sicher noch nicht ins Bett gegangen bist, aber die roten Plakate mit den Umrissen von Fabriken und Bauern mit erhobener Faust stießen ihn ab, aber so viele Bücher, so viele Hefte, so viele Wörterbücher, so viele Kugelschreiber und Bleistifte in Porzellantöpfen machten ihm angst, Komm herein, komm herein, lud ihn Olavo lächelnd ein, Komm herein, lud ihn der Funker ein, der mit dem Fingernagel einen Fleck vom Brillenglas kratzte, und wenn das in Mosambik wäre, verdammt, dann würde ich die erstbeste Maschinenpistole packen, sie alle auf einmal wegfegen und in den Busch traben und verschwinden.
    – Schade, daß die anderen nicht hier sind, sagte er laut, ohne es zu bemerken, und wickelte sich wie ein Tier in die Decke oder den Körper der Mulattin.
    – Es ist fast zehn Uhr, erschrak die Dicke, die auf dem Königinnenthron der Matratze saß. Wenn ihr das mit dem Toten nicht klarkriegt, ich gehe jedenfalls.
    Zehn Uhr, dachte der Soldat, wie viele Partien Dame hat der Stumme schon seit neun Uhr im Glasbüro des Lagers gespielt, sich nicht um das Schluchzen des Telefons gekümmert, um den hellen oder regnerischen Tag dort oben, um die Mäuse, die im Staub der Möbel herumgaloppierten oder auf den zerrissenen Polstern des Lasters, auf der Seite liegend, die Zähne fletschend, ihre piepsende Brut säugten? Zehn Uhr, und der Herr Oberleutnant verwest unter dem dicken Stoff der bis auf den Boden reichenden Tischdecke, aus der die Fußknöchel herausragen, die üppigen Bäume des Príncipe Real sind die mageren Bäume von Omar, die
Spatzen die gesprenkelten, hochbeinigen Flußvögel, diese leichte Kälte dicht am Teppichboden und des vom feinen Regen nassen Grases, und Sie wissen ja, Herr Hauptmann, wie die Messer sich unversehens ins Fleisch graben, Sie erinnern sich daran, wie in Afrika die Waffen losschossen, ohne daß jemand sie berührt hatte, wie die Gefangenen geschlagen wurden, ohne daß wir es bemerkt hatten, wie den Negerinnen Kinder gemacht wurden, ohne daß man recht wußte, wie, bäuchlings, angekleidet, mit offenem Hosenstall auf den dreckigen Bastmatten der Strohhütten, Schweiß und Spucke tropfend und wachsfarbene Tropfen überall dort absondernd und ausschwitzend, wo es möglich ist, man späht durch die in den Lehm geschnittenen kleinen Fenster und erkennt im unvermittelten, jähen Morgen einen fahlen Hof, hockende Schwarze, den Stacheldraht der Kaserne, die Verrückten, die in den riesigen Stationen am Campo de Santana kreischen, die Hände flach an die Wände legen, die weichlichen Kohlpflanzen blähen

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