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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Teigtaschen.

9
    Von zwei Nächten im Kabuff der Concierge ging der Soldat zu drei, später zu vier, darauf zu fünf Nächten über: er aß zu abend, nickte vor Müdigkeit auf dem Segeltuchstuhl vor dem Fernseher ein, hörte undeutlich häusliche Geräusche von Geschirr, Husten und Töpfen, Eliseus Matratze im Nebenzimmer, die quietschte, wenn sie ihn empfing, draußen in der Eingangshalle übernächtigte Schritte von Nachbarn, die Pantoffeln der Frau kamen und gingen, räumten Gläser weg, Klänge, die sich zu einem Geräuschkompott vermengten und sich ganz allmählich in einem tiefen, gedächtnislosen Wasser auflösten, bis jemand oder etwas ihn an der Schulter rüttelte und ihn eilig wieder an die Oberfläche zurückholte wie einen Taucher, ein Blasenregen unvollständiger Träume, in denen aus dem hohen Gras der Vergangenheit auftauchende Neger mit Gewehr unter wirrem Geschrei auf ihn zukamen. Nach ein paar Wochen begann er in einem Köfferchen oder einem Bündel seine dreckige Wäsche und die Hemden mitzubringen, denen Knöpfe fehlten, nach ein paar Monaten hatte er unversehens eine Schublade in der Kommode im Schlafzimmer, die mit seinen Strümpfen, Unterhemden und Unterhosen vollgestopft war, und ein oder zwei gutgebügelte Anzüge, deren leere Ärmel wedelten wie die der einarmigen Losverkäufer, hingen auf Drahtbügeln im Schrank zwischen den Kleidern der Concierge. Ganz allmählich gewöhnte er sich an die verschiedenen Gerüche des Hauses, die jeder seine eigene Dichte und seinen eigenen Raum hatten, der Umfang der Schatten hatte sich, wenn er plötzlich aufwachte, seiner Drohungen und Geheimnisse entledigt, er kannte den Atem und das Knacken der Möbel, die Kiefer der Mäuse, die feinsäuberlich die Fransen der Teppiche und
der Dunkelheit vertilgten, die Hunde und die Hähne des Morgengrauens, die in den benachbarten Gärten hochschreckten, deinen Körper neben mir, der den offenen Mund auf dem Kopfkissen zerquetschte, ich lernte deine Beine von meinen Beinen unterscheiden und deinen Drang zu urinieren von meiner vollen, stechenden Blase, und wenn wir uns im Dunkeln verschwitzt und heftig schnaufend wie Spanferkel im Todeskampf voneinander lösten, trennte ich dein Keuchen von meinem wie ein Blinder, der sich schnell im Labyrinth eines sehr gut auswendig gelernten großen oder kleinen Platzes bewegt.
    – Manchmal, dann denke ich, verdammt, genau das ist die Ehe, knurrte der Oberstleutnant, der mit gespreizten Beinen auf dem Boden saß (ein Gewirr dunkler Haare wuchs aus den Zwillingskastanien der Hoden) und vergeblich mit einer Socke kämpfte, die sich rollte, sich umstülpte, widerstand: Daß wir ewig brauchten, bis wir festgestellt haben, wer von uns beiden gerade aufgewacht ist.
    – Das ist euer Bier, das ist euer Bier, meinte die Mulattin wegwerfend, die sich im Bett reckte, aber hört mal, der Kerl stinkt schon richtig.
    – Ich war, bis ich mich nicht zu Ende rasiert hatte, die Zwergin, illustrierte dies der Leutnant, so klein und zusammengefallen, daß ich mich nicht einmal in den Spiegeln erkannte. Erst wenn ich die Zähne putzte, fing ich an zu wachsen, erhielt ich die Statur und Dichte, den Katarrh eines Mannes, eine tiefe Stimme, Pickel, Schlaf in den Augen. Ich machte den Krawattenknoten, putzte die Schuhe und hopp, wenn ich ins Schlafzimmer zurückkam, stieß ich auf einen gelblichen, kurzsichtigen Wurm, der zerzaust in den Bettüchern lag, mit dem Frühstückstablett kämpfte und mir mit bangem Puppenkreischen Guten Morgen zubrüllte.
    – Ehrlich, merkt ihr den Gestank etwa nicht? wunderte sich die Mulattin. Wenn ihr den nicht bald hier rausholt, kotze ich.
    Hin und wieder schlief der Soldat in der Wohnung am Campo de Santana, um sich um die Hühner, die Nissen im Mispelbaum
im Garten und die Schnecken im Kohl zu kümmern: die Stadt, die an Gebäuden, Vierteln, Gassen, Querstraßen, Slums überall struppig zuzunehmen schien wie Furunkelsaat, stagnierte auf unerklärliche Weise am Irrenhaus, wo Typen in Pyjama mit den Mauern redeten, Risse anschauten, Wände und Grate mit den leuchtenden Iris von Propheten einer absurden Religion betrachteten: die gleichen Gärten, die gleichen Höfe, die gleichen alten Frauen an den gleichen geborstenen Simsen, die gleichen verwesten Stunden auf den gleichen Wanduhren, die Seide der gleichen Katzen auf den Dächern, auf denen das Moos der Regenrinnen die Fernsehantennen mit dem gleichen qualvollen Grün bedeckte. Sogar der Holzbock und die Insekten

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