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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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vollkommen dunkel,
herrschte rabenschwarze, undurchsichtige, traurige Regennacht: die Gesichter der Menschen waren aus zwanzig oder dreißig Metern Entfernung nicht zu erkennen, Lichtaureolen näherten und entfernten sich und zogen dabei schmale Schatten an den Fassaden lang, zu winzig kleinen Gestalten gewordene Leute winkten vom Großen Felsen den verblüfften Familienangehörigen zu, und als ich zu Hause ankam, Herr Hauptmann, da war Lady gestorben, und ich warf die blaue Flüssigkeit in den Müll. Ich holte eine Hutschachtel aus dem Schrankzimmer, kippte die Nadeln, die Spitzen, die Filzstücke, die kleinen falschen Schmuckstücke daraus in eine Schublade, die Tante stand noch immer, ohne sich zu bewegen, an den Herd gelehnt, die Unterlippe vorgestreckt, Esmeralda hatte sich auf den verglasten Balkon geflüchtet und trocknete sich die Augenlider mit der Schürze, er nahm die Hündin in den Arm, und der kleine, vollgesabberte, schlaffe, reglose Körper verursachte ihm Übelkeit, er legte sie in die Schachtel, und das Knistern des Seidenpapiers ließ die beiden Alten erzittern, er deckte sie mit Zeitungen zu und ging wieder auf die Straße hinunter, zögerte am Container direkt neben der Tür, auf der anderen Straßenseite hatten sie hinter einem Studentenheim und einer evangelischen Kirche eine Reihe Häuser auf einem Ödland gebaut, er bat den Wärter der Baustelle, der sich an einem Feuer aus Brettern die Hände wärmte, um eine Schaufel, und als ich das Blatt in den Sand, das Unkraut, die Wurzeln, die Kerne, die kleinen Steine am Hang grub, hob ich den Kopf, sah die zwei eng beieinander stehenden Umrisse der beiden, die mich vom Balkon aus still verfolgten, und jenseits der Umrisse die Karussells und die Eisenwägelchen der Achterbahn, die inmitten des Rauches und der bunten Lampen, der Musik, der übertriebenen Anpreisungen des Todesbrunnens, des gruseligen Gelächters und der unechten Schreckensschreie der Geisterbahn kreisten, und ich weiß nicht, ob Sie das verstehen, Herr Hauptmann, aber da bekam ich im Kopf oder in der Galle oder in der Leber oder in den Gedärmen oder wo auch immer, verdammte Scheiße, eine Heidenwut auf uns alle.

8
    – Bald nach meiner Heimkehr, sagte der Leutnant (bereits scharlachrot vom Wein, den Tresterschnäpsen, dem Vorhaben mit den Nutten, der immer übleren, verbrauchteren Luft im Restaurant, die ein Ventilator an der Decke vergebens mit träger Faulheit verquirlte), begann es zwischen Inês und mir schlecht zu laufen, warum weiß ich nicht. Wahrscheinlich waren wir einander entwöhnt, Herr Hauptmann: wir hatten uns monatelang nicht gesehen, funktionierten wie zwei Fremde, hatten die Gewöhnung an ein gemeinsames Leben verloren, hatten vollkommen aufgehört uns zu kennen (Die Flügel des Ventilators bewegten sich langsam wie Löffel in der dicken Creme des Rauches, an der Wand vertrieb eine Art Heizstrahler mit blauen Röhren die dicken Sommermücken. Durch die offene Tür näherten sich die Nacht von Lissabon und die Nacht von Lourenço Marques und gingen ineinander auf wie zwei Körper, die sich berühren, die Gebäude am gegenüberliegenden Pol der Straße ähnelten dem Indischen Ozean in der Ferne mit den Schiffsleuchten der Fenster, die unbeweglich im Dunkeln schwebten. Der Leutnant starrte angestrengt, angespannt, aufmerksam, krumm auf dem Stuhl sitzend, auf die Karos der Tischdecke wie jemand, der die Spur von Guerilleros im Busch verfolgt: Wir da in Afrika, dachte er, verlernen, mit Menschen zusammenzusein, werden zu einer Art reizbarer, ängstlicher, grausamer, verschreckter, merkwürdiger fleischfressender Tiere, die sich verzweifelt an die Invalidenkrücken ihrer Maschinenpistolen klammern.)
    Zwei, drei, manchmal vier Tage in der Woche, wenn er erschöpft von der Arbeit nach Hause kam, genug von der Bank hatte, ihm von den Versammlungen, den Unternehmungen, Markt-Studien,
Zahlen übel war, er sich nach Stille und Ruhe sehnte, setzte er sich mit übergeschlagenen Beinen aufs Sofa, öffnete, ohne die Buchstaben zu sehen, den Paravent der Zeitung, und gerade wenn er anfing einzuschlafen (Zum Abendessen sind es noch zwei Stunden, ich kann wunderbar ein wenig ausruhen), begann das Telefon loszukreischen, und jeder Jauler schmerzte ihn eindringlich wie ein Messer in den Ohren, in der Brust, im Kopf. Er hob taumelnd den Arm, um die Ohren mit den Händen zu bedecken, und da plötzlich eine kurze Stille, die höfliche Stimme seiner Frau, Wer spricht da, bitte?, und dann

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