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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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nützliche Aufgabe, du darfst auf gar keinen Fall von den Richtlinien, die dir gegeben wurden, abweichen.
    Und ganz leise, in einer Art komplizenhaftem Flüstern:
    – Das dauert nicht mehr lange, Ehrenwort.
    Sie lag reglos auf dem Küchenfußboden, erbrach sich, seufzte, starrte ihn mit dem feuchten Gallert ihrer Augenhöhlen an, violetter Sabber hing an ihrem Maul, Ladys Atem wurde langsam weniger, die Pupillen dämmerten, das Hinterteil bewegte sich hin und wieder, von Schaudern durchzogen, der Schwanz kratzte ängstlich auf dem Boden. Esmeralda zwirbelte die Schürze mit den Daumen, die an den Herd gelehnte Tante alterte plötzlich um ein Jahrhundert:
    – Ich habe schon darum gebeten, daß jemand den Tierarzt anruft, ich rede nicht mit ihm, weil ich ihn nicht höre. Er erfindet Entschuldigungen, sagt, er könne nicht kommen, er habe niemanden, den er schicken könne: ein Ziegenmeckern, das vor Unsicherheit, Angst zitterte, und der Funker entdeckte verblüfft ein unentschlossenes Mädchen unter der schrundigen Schale dieser steifen Siebzigjährigen, die die Engel und die Heiligen des Hausaltars
mit hochfahrender Überheblichkeit behandelte. Sie hat heute morgen irgendeinen Anfall gehabt, eine Embolie, eine Kolik, einen Infarkt, die Arme, sie ist seitdem immer schwächer geworden. Gibt es denn nicht irgendein Krankenpflegezentrum hier in der Nähe, damit man ihr zumindest das Leiden erleichtert?
    – Nach den Reden zu den Huren, Herr Hauptmann? lockte der Leutnant, indem er komisch die Augen rollte und mit der Zungenspitze über die Konturen der Lippen fuhr. Um uns an die Nachtclubs unserer Urlaubstage zu erinnern, um den Hammer zu entrosten wie damals, wenn wir aus dem Busch kamen und den Tisch mit Champagnerflaschen füllten, erinnern Sie sich noch daran?
    Mulattinnen in aufreizenden Kleidern, die in den düsteren Ecken des Nachtclubs an den Wänden standen, Frauen mittleren Alters, die erschöpft waren von Nächten um Nächten ohne Schlaf, der mitleiderregende Striptease eines ungeschickten Geschöpfes, das weder Rhythmusgefühl noch Anmut besaß und unter Trommelwirbeln von einem schwulen Ansager mit Fliege angekündigt wurde, unsere Handflächen, die unter den Tischen Knie abschätzten, betasteten, zwickten, und mit der Gier von Tausendfüßlern die Beine enterten, und so viele Tote protestierten stumm in meinem Blut: wir schlossen die Augenlider, und sie kamen wieder, stur, beharrlich, schliefen mit offenen Augen an den Rändern des hohen Grases, drängten sich in das dichte Parfüm der Mädchen, in den Deodorantgeschmack des Whiskys, in die bange Wut der Begierde: er ging hinunter auf die Straße, ging um zwei Blocks, bog links ab und sah von fern das rechteckige, milchige Leuchtschild zwischen anderen pulsierenden Buchstaben, Bildern, Schnörkeln: Medizinisch-chirurgisches Zentrum São Roque, Dienst rund um die Uhr. Irgendwozu ist es dann doch gut, wenn man so viel zu Fuß gegangen ist und jeden Zentimeter dieses beschissenen Viertels kennt. Er klingelte, wartete etwas, klingelte erneut, und das Geräusch schien ganz fern ohne Antwort in einer Zinkhöhle zu summen, und dann kam schließlich ein halb buckliger Typ im
Kittel, öffnete ihm mißmutig die Tür, während er sich aus Verärgerung und Müdigkeit reckte und streckte.
    – Wenn ich diese U-Bahn nicht kriege, bekomme ich Ärger, hauchte Dália, bevor sie zum Zug rannte, an dem sich die Leute genervt und schimpfend drängelten. Ergreif keine Initiative, ich werde dich wieder aufsuchen.
    – Ja? fragte der Bucklige, indem er ihn zornig ansah, beinahe ohne den Mund zu bewegen, weil eine Wange von einem Abszeß in einem Backenzahn geschwollen war. Sie sind ja verdammt nervös, da schütten Sie mal gleich hier im Wartezimmer Ihr Herz aus.
    Mit kariertem Stoff bezogene Resopalstühle, Zeitschriften auf einem wackligen Tisch, Bilder von Kindern und Landschaften mit Schwänen in Emaillerahmen an den Wänden, dicke Glasaschenbecher, ein billiger Läufer, ein protziger, von der Decke hängender Messingleuchter. Es roch nach Heilbutt, nach Desinfektionsmittel und Schweiß, ein Plattenspieler brüllte im Nebenraum, der Bucklige übertönte die Musik mit seinem Schrei, Stell diesen Scheiß da leiser, Emília, und fast unmittelbar danach folgte eine niederschmetternde Stille.
    – Zu den Nutten, Herr Hauptmann, ermutigte der Leutnant, der, ohne es zu bemerken, dabei etwas Weißwein umkippte, der sich schnell wie eitriges Erbrochenes auf dem Tischtuch ausbreitete.

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