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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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süß, komplizenhaft, warm, Ja, Mutter. (Und er legte die Zeitung auf die Knie, spürte seine schmerzhaften, geschwollenen Muskeln, den von den Geräuschen noch schielenden Schädel, die Augen, von den Lidern mühsam bedeckt, die sich wie schweflige Vorhänge hoben und senkten: Warum redest du nie mit mir, warum diese Gleichgültigkeit, diese Distanz, diese Bitterkeit?)
    – Was kann ich denn dafür, daß du meine Eltern nicht magst? fragte Inês wütend. Als du mich geheiratet hast, wußtest du doch schon, wie sie sind.
    – Nein, Mutter, ein Abendessen dort kommt wirklich gelegen, es spart mir viel Arbeit, Jorge brauche ich nicht extra zu fragen, er findet es sicher großartig: die am niedrigen Telefontischchen kauernde Gestalt, die herabfallenden Haare, die kurzsichtigen Finger, die nach dem nächsten Aschenbecher tasteten, das Kind schläft wer weiß wie spät auf der Rückbank, es dann, während es vor Müdigkeit weint, auf dem Arm ins Haus tragen: Ich hasse dich, Inês.
    – Die Braut hat mir das alles versprochen, Herr Hauptmann, sagte der Funker, während er sich sorgfältig die Brille wieder auf die Nase setzte, die Revolution, den Fall des Faschismus, das Volk in Waffen, die Freiheit und sonst noch was, und ich vervielfältigte mich in Notizen, Memoranden, Briefen, strengte mich an, stellen Sie sich das mal vor, Unteroffiziere zu verführen, denen das piepegal war, im Ministerium aber blieb alles beim alten: das gleiche
hoffnungslose Geschlurfe, die gleiche staubige Nutzlosigkeit, die gleichen bittenden Obersten, die gleiche lautlose Starre, die Cacilhas-Fähren, deren Kommen und Gehen sich im Schimmel der Fensterscheiben abzeichnete. Damals wirkte der Marxismus genauso utopisch wie jetzt, und dennoch glaubte ich unerschütterlich, eisern, idealistisch daran.
    – Ich mache mich kurz für das Abendessen in Carcavelos fertig, verkündete Inês und lief ins Schlafzimmer. Könntest du bitte die Sachen der Kleinen in den Henkelkorb tun?
    Windeln, die in einer Plastiktüte, entsetzlich nach Scheiße riechend, wieder zurückkommen würden, den Schnuller, Schellengirlanden, ein von monatelangem Beißen zerfressenes Gummikarnickel ohne Schnauze. Das Kind protestierte schluchzend, und der Leutnant brummelte, Du mußt vor Hunger schon ganz verrückt sein, ich wette, deine Mutter hat dir heute nachmittag nichts zu essen gegeben, weil sie den ganzen Nachmittag am Telefon verbracht, Whisky getrunken und mit den Freundinnen Blödsinnigkeiten gegackert hat. Als er sich vorbeugte, um das Baby aus dem Laufstall zu nehmen, knarrten seine Knochen und brachen, die Gelenke klopften vor Schmerzen, ein Schraubstock zerdrückte ihm, mehrfach schärfer anziehend, das Innere der Brust, die Klingel massakrierte ihm ohne Unterlaß die Ohren. Durch die Badezimmertür sah er seine Frau auf Zehenspitzen die Augenlider mit Fläschchen und Pinseln vergrößern, den Mund in eine verächtliche Wunde verwandeln, einen Pickel am Kinn mit einem Finger Creme verstecken. Was haben wir beide gemeinsam, dachte er, warum zum Teufel haben wir überhaupt geheiratet? Wir gingen in der Gruppe ins Kino, wir spielten in der Gruppe Tennis, gingen in der Gruppe außerhalb essen, machten Wasserski in der Gruppe, ich schwänzte pünktlich die Vorlesungen im ersten Jahr Wirtschaftswissenschaften, du setztest weder einen Fuß in die Ballettschule der ungarischen Lehrerin noch in den Kurs in der Alliance Française, mir gefiel deine alberne Art, wie du verrückt lachtest, mit den Schultern zucktest, tanztest, deine
etwas wirre, ziellose Begeisterung, deine Art, sympathische Plattheiten zu zwitschern, mir gefiel der Luxus in der Villa deiner Eltern, die Möbel, die Bilder, die versilberten Gegenstände, die vielen makellosen Dienstmädchen, die beharrlich wie ein Ameisenheer hierhin und dorthin trabten. An einem Samstag saßen wir zufällig nebeneinander im Cinema Condes (Im Condes? rief der Soldat überrascht aus, ich dachte immer, daß die Kinder reicher Eltern ins Tivoli gehen), ein sterbenslangweiliger, im Mittelalter spielender Film, in dem bärtige Typen unaufhörlich redeten, wir hatten keine Karten für das São Luís bekommen, und das Publikum stank nach billigem Parfüm, nach Nylonstrümpfen und Schweiß, eine Ebene voll runder, dunkler Steine aus Köpfen breitete sich vor uns bis zum riesigen bunten Rechteck der Leinwand aus. Inês zappelte hochgradig gelangweilt auf dem Sitz, ihr Kleid quietschte bei jeder Bewegung, und es war so, als fühlte ich sie

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