Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
Vom Netzwerk:
mampfte, der Geschäftsführer, nun ruhiger, überwachte den Alkoholpegel mit dem Metallstäbchen seiner Augen, der alte Herr war schließlich auf schwergängigen Beinen hinter der Kurve des Tresens verschwunden. Werden wir in zehn Jahren auch so sein? fragte ich mich, werden wir genauso tot wie jetzt, genauso endgültig und unwiderruflich tot sein wie jetzt? Der Scheinwerfer leckte die Brille des Funkers ab, der sich in zartem Geflüster ins Ohr eines Frosches in den Wechseljahren vervielfältigte, die ihr Glas pflanzengleich in riesigen Fingernägeln hielt. In zehn Minuten, versprach eine Grabesstimme, werden wir unsere phantastische internationale Show präsentieren, und den Beginn wird die Stripteasedarbietung der bekannten italienischen Künstlerin Melissa machen, Vizeeuropameisterin in diesem äußerst schwierigen Fach, die extra und exklusiv für die Bar Nachtclub Madrid aus Mailand gekommen ist.
Die Tangos wurden von Paso dobles abgelöst, der Musiker mit dem Saxophon wand sich auf der Bühne wie ein auf dem Rücken liegender Tausendfüßler, jemand klopfte an die Bürotür, der Leutnant sagte, Bitte sehr, hörte aber nicht auf, mit einem Rotstift versehen, einen Stapel Papiere, die vor ihm lagen, zu lesen, kleine schnelle Schritte kamen immer näher, der Sänger zückte düster ein Paar Kastagnetten, Ich bin im Umzugsgeschäft, erklärte der Soldat, Ich hätte sie hier vor der Tür rauswerfen und nach Hause fahren sollen, denn morgen muß ich um neun im Büro sein, dachte ich, bereits böse auf mich selber, und rührte den Chlorbleiche-Champagner mit dem Finger um, der Leutnant hob den Kopf und traf auf das ewige Grundschullehrerinnenkleid und die Katechetenfrisur von Ilda, eine halbwegs bucklige Blonde streichelte mir eifrig den Nacken, Wer bestellt ein Fläschchen nur für uns beide, na?, die gebogene Nase pickte spitze, hornige Patentantenküsse, eine nasse Handfläche hatte meinen Hosenstall gepackt, öffnete sich und schloß sich über meinen von Panik erfaßten Geschlechtsteilen wie eine Auster, der vom Piano zerquetschte wütend die Noten wie jemand, der nachts im Schlafzimmer Küchenschaben mit dem Pantoffel zermalmt, der Oberstleutnant kam im Hintergrund, gegen die widrigen Strömungen des Weins rudernd, zum Tisch zurück, Wenn Olavo mich sehen würde, sagte der Funker, würde er mich ein Jahr lang dreihundert Seiten Lenin am Tag auswendig lernen lassen, der Leutnant legte den Stift ab, schob die Seiten mit dem Ellenbogen weg, Seit ein paar Wochen waren wir nicht mehr zusammen, Herr Hauptmann, ich redete von weitem in der Kantine der Bank mit ihr und sonst nichts, Ilda zögerte, preßte den Bauchnabel gegen den Tisch, schien Schwung oder Mut, oder was auch immer in ihr war, zu bekommen, prüfte den Verschluß der Handtasche nach, bürstete sich die Krümel eines Reisküchleins vom Ärmel und beugte sich plötzlich zu ihm, Ich bin schwanger, der Leutnant, Was?, und sie jetzt sicherer, weniger zittrig, lauter, Du hast richtig gehört, ich bin schwanger.

    – Wenn Sie zu denen gehören, die sich die Hände waschen, flüsterte mir der Oberstleutnant zu, während er tastend seinen Platz wieder einnahm, nachdem er unzählige Male beharrlich wie ein kleines Spielzeugauto, bei dem die Feder fast abgelaufen ist, gegen die Wände gestoßen war, dann versäumen Sie nicht die Kleine im Bikini, die einem Seife und Handtuch hinstreckt: zwölf, dreizehn, höchstens vierzehn Jahre, aber ein Paar Titten, ein Paar Hüften, ein Paar Beine, die einen ganzen Friedhof auferstehen lassen. Als die mich angelächelt hat, wurden meine Knochen zu Schaum.
    – In der Schweiz oder in Luxemburg, mir ist das egal, sagte Inês’ Mutter, ich will das Geld hier so schnell wie möglich raushaben, das mit den Zinsen können wir später klären.
    Die Musik brach ab, In wenigen Minuten unsere erste Stripdarbietung, und kam dann wieder mit einem Ruck, mühevoll wie ein von der Lokomotive des Saxophons gezogener Zug in Fahrt und kletterte bang einen Hang in Halbtonschritten hinauf. Der Champagner bewirkte, daß wir auf den Stühlen levitierten, versetzte uns in die Lage, biblisch auf einem See von Mineralwassern zu wandeln, zwischen Lichtern und Rauch, einander wie merkwürdige betrunkene Vögel mit dem Federrascheln der Jacken anstoßend, aufzufliegen. Was? wiederholte der Leutnant entgeistert, Was?, einander umarmende Körper auf der kleinen Tanzfläche, unbedeutende Männer, bereit, von so vielen blonden Mähnen, so vielen

Weitere Kostenlose Bücher