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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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menschenfressenden Hinterbacken, so vielen nackten Brüsten verschlungen zu werden: Es war eine beschissene Zeit, Herr Hauptmann, in der Bank ahnten wir, daß etwas Entscheidendes passieren würde, daß das Heer in Aufruhr war, daß die politische Polizei die Lage nicht im Griff hatte, daß Konzerne sich zurückzogen, daß die Regierung alldem hilflos zusah, die Familie meiner Frau verkaufte Gesellschaften und Aktien für einen Apfel und ein Ei, die Mulattin verschlang den Soldaten im Rhythmus kauender, mahlender, zerknackender Kastagnettenzähne, und sein Rumpf löste sich ganz allmählich im glitzernden Kleid auf, vielleicht
blieben hier und dort auf dem Fußboden noch ein paar Stückchen Knochen übrig, die die Putzfrau am nächsten Tag mit dem Müll und den Kippen auf die Straße fegen würde, wenn der Kaufmann die Tür zu seinem engen Reich der Waschmittel und Kartoffeln aufschloß, Ilda beobachtete die Besitzerin des Kurzwarenladens dort unten mit ihren von Krampfadern manuelinischen Beinen, wie sie, inmitten der Bettler, Losverkäufer, der fliegenden Händler und der eiligen, wütenden Leute der Unterstadt mit ihren bleichen Mörderaugen auf einer Leiter hockend, das Schaufenster putzte. Am anderen Ende des Boulevards konnte man hinter einer Reihe geometrischer, immer kleiner werdender Verkehrsampelbäume die magere Raute des Flusses liegen sehen, die die in der Ferne humpelnden Busse und Straßenbahnen mit Zaubertricks ohne Geheimnis verschwinden und wiederauftauchen ließ. Vierzehn Jahre und keine einzige Falte, flüsterte der Oberstleutnant, alles drall, alles fest, alles ohne Fett, nur die Muskeln einer jungen Stute am Rücken, nur zarte Härchen auf dem Bauch: stellen Sie sich Spucke ohne Tabak, die Augen ohne Eiterkrusten, das leise aufgeregte Hamsterwinseln vor. Der Leutnant steckte sich hypernervös eine Zigarette an der Seite vom Filter an, ein gräßlicher Geschmack nach Verbranntem füllte ihm Mund und Nase, er drückte sie eilig im quadratischen Marmoraschenbecher aus, verließ den Schreibtisch, wobei er mit dem angeekelten Fächer seiner Hand wedelte, um den Rauch zu vertreiben, das Telefon läutete, Nein, nein, habe ich nicht vergessen, schicken Sie sie in den Sitzungssaal, und Dr. Costa Nunes soll schon einmal anfangen, bis ich komme: der feiste Mistkerl im Trevirahemd und mit den grauenhaften, furchterregend häßlichen Manschettenknöpfen, wie er mit seinem manierierten Getriller und seinem öligen Kanonikusgehabe vor einem aus unterwürfigen Managern bestehenden Publikum tönte.
    – Ilda, was? lachte Inês sarkastisch. Wenn sie genauso häßlich wie ihr Name ist, große Güte.
    Sie hatte keine Schuld, wollte es nicht, hatte immer die üblichen
Vorsichtsmaßnahmen getroffen, außer der Pille, die sie die Ärztin wegen des Risikos zu schwacher Adern, von Hämorrhagien, Thrombosen, Krampfadern nicht hatte nehmen lassen, es hatte noch nie Ärger gegeben, nicht wahr?, weiß ich, warum das jetzt passieren mußte, und der Leutnant hinter ihr schaute auch auf die Bettler und die Betrunkenen auf der Straße, die Besitzerin des Kurzwarenladens, die die Leiter zusammenklappte und im Halbschatten alter Zeitschriften und antiker Karnevalsnasen mit einem Gummiband für den Nacken im Laden verschwand, auf den reglosen, angemalten Gips des Tejo und den beinahe weißen Himmel, der an den angespannten, verärgerten, ängstlichen Stirnen der Menschen klebte: Die Stadt hatte sie wie Mäuse gefangen, dachte er, die Lastwagen der Stadtverwaltung würden im Morgengrauen kommen und die aufgetriebenen, widerlichen, fauligen kleinen grauen Leiber einsammeln.
    – Sónia, wirklich? wunderte sich der Funker, während er mit dienstbeflissenem Feuerzeug Feuer anbot. Wenn ich Ihnen gestehe, daß ich schon immer davon geträumt habe, eine Sónia zu heiraten, glauben Sie mir dann?
    Dr. Costa Nunes machte Notizen auf einem Block, nachdem er die Untergebenen dazu eingeladen hatte, nacheinander ihre Bankvorstellungen, ihre Finanzdelirien von Titeln und Währungen kundzutun, während der Leutnant ihn eingehend haßte und der Soldat, nach außen hin intakt, stolz die riesige Mulattin an den Tisch geleitete, die ihren Lippenstift auffrischte, indem sie die Lippen trichterförmig zu einem runden Spiegelchen vorstreckte, während aufeinanderfolgende Fettfalten sich häuften, sich von Doppelkinn zu Doppelkinn bis zu den winzigen aufmerksamen Augen eines unerschrockenen Chamäleons summierten, das bereit war, seine Fliege in der

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