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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Janete uns eine unvergeßliche Darbietung geschenkt haben, bringt die Bar Nachtclub Madrid die Leichtigkeit, den Zauber, die Grazie der französischen Künstlerin Madame Simone, des Lieblings des Moulin Rouge de Paris zu Ihnen, die uns ihre rührenden gezähmten Vöglein, ein paar Minuten Traum, Poesie und präziseste Genauigkeit zeigen wird. Nun spielte nur noch leise das Piano, wie Kinderseufzen an- und abschwellende Fontänen von Vierundsechzigstelnoten, die Umrisse des Musikers, der sich zu den Tasten beugte, als äße er zu Abend, die Bucklige bat den Kellner um Popcornnachschub, Ilda wandte sich mit so cholerischer Wucht um, daß der Leutnant erschrocken einen Schritt zurückwich, Ich hätte dich nie für so ordinär gehalten, ich hätte nie gedacht, daß du so mies sein könntest. Madame Simone, eine dicke Alte mit gefährlichem Dekolleté, einem prächtigen langen Kleid, das mit sanftem Raunen über den Boden schleifte, kam in Begleitung mehrerer Käfige mit Tauben oder Turteltauben oder ähnlichen Vögelchen, die mit ihrem Flügelschlagen die rauchige Luft bewegten und sich ihr auf den Kopf und auf die Schultern setzten und mit unangenehmer Vertraulichkeit zwischen den rosigen Füßen den schnellen weichen Auswurf ihres Kotes hinterließen. Ein Typ mit Fliege und roter Jacke stellte kleine Blechkarossen auf, die die Tiere mit ernsten, dummen Pupillen mit dem Schnabel schoben, Hindernisse, die sie ohne Begeisterung leicht überwanden, eine elektrische Eisenbahn, in der sie kerzengerade ruckelnd ein paarmal die Schienen abfuhren und um sich herum lose Federn, durchsichtige Essensschalen und den Geruch nach Kacke verteilten und sich schließlich reglos auf den Metallbaum setzten, den Madame Simone mit dem Mund hielt, während der Typ mit der Fliege mit krummen Beinen
und grimmigen Augenbrauen im Geiste die zu Grillfleisch verarbeitete, die nicht gehorchten. Das Orchester feierte die Heldentat in einer Raserei unzusammenhängender Takte, und die glücklichen Zuschauer der Bar Nachtclub Madrid, die ersten und einzigen Portugiesen, denen das Schicksal so hold war, ihnen die Leichtigkeit und die Poesie der rührenden Tierchen zu verschaffen, wandten sich, während sie die weißen Federn wegbliesen, die überall ein wenig herumwogten und ihnen beharrlich, kitzelnd in Nase und Rachen drangen, wieder eingehend den phantastischen, in Meridianen von Strumpfhaltern gequetschten Schenkeln der blonden Frauen zu wie jemand, der traurige Haushaltsschätze in den Ritzen der Sofakissen sucht.
    Die Dunkelheit war inzwischen zu einer Art großem, übelriechendem Käfig geworden, der aufs Geratewohl von Flügelzittern, Gurren, Seufzen, Piepsen, schwebenden Profilen durchmessen wurde, und auf die Tischtücher fielen hin und wieder dicke Scheißetropfen, die sich von den Vorhängen und den Fransen der Decke lösten, in denen perverse Tauben nisteten und den blauen, gelben, grünen, braunen, weißen Mais der Lichter pickten, Eier in die Vorhangfalten legten, sich stürmisch im Pianokasten begatteten, aus der Tür hinaus in die Nacht flüchteten, auf der Suche nach einer Reiterstatue, auf der sie zwischen den Bronzehoden der Pferde oder den Augenhöhlen von Königsmördern, durch Rostalgen vor der Kälte geschützt, vor Anker gehen konnten. Madame Simone kam Hand in Hand mit dem mit der Fliege auf die Tanzfläche zurück, wobei sie ihren uralten Körper mit der Grazie einer Lokomotive heranwälzte, und verneigte sich mit einer steifen Verbeugung, bei der die riesigen welken Brüste aus dem Dekolleté fielen und wie knorpelige Köpfe von Zwillingen im Verlauf einer Geburt erst herausschauten und dann herunterhingen. Sie richtete sich mit einem erneuten Quietschen der Scharniere wieder auf (irgend etwas, dachte ich, ein Zahnrad, eine Feder, eine Pleuelstange, der Motor, wird unwiederbringlich im Inneren des Lieblings vom Moulin Rouge kaputtgehen), schickte dem stummen
Publikum mit tannenzapfenförmig zusammengelegten Fingerspitzen Küsse zu, der grauhaarige Geschäftsführer streckte ihr denselben Strauß falscher, nach Plastik und Kohl riechender Gladiolen hin, den er wenige Augenblicke zuvor der schönen Janete geschenkt hatte, und Madame Simone verschwand, wie ein altes Pferd die üppige silbrige Mähne schüttelnd, vom Gehilfen mit der Fliege gefolgt, der, wie mir plötzlich auffiel, der Grabessänger der Tangos und Boleros war. Ilda wühlte in der Lackhandtasche herum, zog ein zerknülltes, unendliches Männertaschentuch daraus

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