Fächergrün
Fünfjährigen und leckte ihre Lippen.
Lindt dachte an seine drei Töchter und verdrängte den Gedanken, dass auch für ihn das Opa-Alter vermutlich nicht mehr fern war.
»Bei uns in der Pfalz, wo ich herkomm, da wird auch gut gekocht«, lächelte die Frau, »aber gegen Antonia habe ich keine Chance.«
»Wir kommen eigentlich wegen der früheren Arbeitgeber Ihres Schwiegervaters.« Der Kommissar richtete sich auf.
»Hat sich rumgesprochen. Schade um die Alten. Mein Mann hat dort auch hin und wieder mal gearbeitet.«
»Ebenfalls Maurer von Beruf?«
»Zuerst schon, aber dann hat er noch studiert. Jetzt ist er Bauingenieur. Großbaustellen, Bürohochhäuser, Industriehallen, Wohnblocks, meistens die ganze Woche weg.«
»Gibt es sonst jemanden, der uns etwas mehr über die Maiwalds erzählen könnte?«
Sie nickte. »Klar doch«, und zeigte nach oben. »Vittorios Brüder Giuseppe und Carlo. Fast jeder hier war ein paar Jahre dort.«
»Aber nur Ihr Schwiegervater ist geblieben.«
»War ja auch der Kapo. Die anderen bekamen bloß Hilfsarbeiterlohn.«
Lindt verstand: »Dann haben sie natürlich nach was Besserem geschaut.«
Ein älterer Mann mit dichtem grauen Haar war fast unbemerkt die Treppe heruntergekommen.
»Entschuldigung, ich habe mitgehört.« Er streckte Lindt die Hand entgegen. »Gallo, Giuseppe, Sie kommen wegen der Maiwalds?«
Der Kommissar grüßte und musste unwillkürlich an Carlas Vergleich mit den kleinen Schaufeln denken.
»Sie wissen …?«
»Es heißt, man hätte die beiden Alten …«
»Umgebracht«, sagte Lindt scharf. »Sie können es ruhig sagen. Es sieht alles danach aus, dass die Brüder keines natürlichen Todes gestorben sind.«
»Schade«, meinte der Mann, »für mich waren sie immer wie gute Freunde. Väterliche Freunde. Es war meine erste Arbeitsstelle in Deutschland.«
»Ihr Bruder kam früher?«
»Sieben Jahre vor mir. So lange hat er gebraucht, um mich und Carlo zu überzeugen. Als ich hier anfing, war er längst der Kapo.«
»Und Sie?«
»Hilfsarbeiter halt. Schlecht bezahlt. Da blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich umzuschauen. Bin schließlich bei Siemens gelandet.« Er lachte: »Viel besser als auf dem Bau. Längst nicht so dreckig und ich hatte gleich doppelt so viel in der Tasche.«
»Trotzdem wohnen Sie hier in einem Haus, was den Maiwalds gehört?«
»Die waren über meine Kündigung nicht böse. Vittorio hat immer genügend billigen Nachschub hergeholt.«
»Haben Sie auch oben im Schuppen gewohnt?«
»Natürlich! Jeder, der frisch aus Italien kam, wurde dort einquartiert. ›Durchgangslager Sorrento‹ nannten wir das.«
»Mussten Sie was bezahlen? Miete, mein ich?«
Giuseppe Gallo zögerte. »Warum fragen Sie das?« Seine Augen flackerten leicht und er schien nicht mehr ganz so lässig am Treppengeländer zu lehnen wie vorher.
Treffer, dachte Lindt und antwortete: »Nur so. Ich hab die Kammern gesehen. Ohne Heizung, ohne Bad, das Klo einen Stock tiefer – auch für damalige Verhältnisse ziemlich primitiv.«
»Mann, hab ich gefroren im ersten Winter. Der Schnee kam zwischen den Ziegeln reingefegt. Wir konnten uns nur im dicken Mantel ins Bett legen. So was kannten wir aus unserer Heimat nicht. Mein Kumpel und ich waren kurz davor, wieder nach Hause zu fahren. Vittorio hat dann diese Platten organisiert, aber an die Schräge nageln mussten wir sie selbst.«
»Hat’s geholfen?«
»Ein wenig. Zumindest haben wir überlebt.«
»Die Miete wurde Ihnen gleich vom Lohn abgezogen.«
»Nur am Anfang.« Gallo stockte. »Woher wissen Sie das?«
»Später mussten Sie bar bezahlen?«
Der Mann zögerte.
»Ohne Quittung«, legte Lindt nach. »Kommen Sie, das ist doch lange her und außerdem sind die Maiwalds tot.«
»Es gibt verschiedene Wege, reich zu werden. Anton und Josef kannten sie alle. Aber es war nicht so, wie Sie denken, nein, das funktionierte anders. Irgendwann haben sich die Brüder was ausgedacht: Ein Tag wohnen, eine Stunde arbeiten und die Sonntage zählten natürlich mit.«
»Moment«, Jan Sternberg fing an zu rechnen: »30 Überstunden im Monat, um in einer solchen Bruchbude zu wohnen. Kein schlechtes Geschäft!«
»Nur für die Maiwalds. Deswegen blieb ja auch keiner lang. Aber das war denen egal. ›Vittorio bringt neue Spaghettis‹, sagten sie, als ich nach zwei Jahren gekündigt hab.«
»Gebrüder Maiwald«, deklamierte Sternberg. »Billige Häuser, billige Arbeiter, billige Tricks.«
»So kann man es zu was bringen«,
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