Fächergrün
hätten doch …« Sie riss an Oskars Arm. »Komm, nichts wie weg.«
»Ihr könnt froh sein, dass die abgehauen sind«, kommentierte Paul Wellmann am nächsten Morgen im Präsidium den Bericht von der unheimlichen Begegnung. »Eine Wildsau mit Jungen, das ist nicht ohne.«
»Eines haben sie ja mit uns gemeinsam«, zog Oskar Lindt an seiner Pfeife. »Wühlen im Dreck!«
»Also machen wir weiter und spielen auch das Schweinespiel, heute zur Abwechslung in der Südstadt.«
»Gallo-Clan«, sagte Jan Sternberg und legte eine Liste auf den Tisch. »Söhne, Töchter, Enkel, Nichten, Neffen, insgesamt 22 Erwachsene, die irgendwie mit diesem Vittorio verwandt sind.«
»Italiener gehen übrigens gerne auf Wildschweinjagd«, zwinkerte Paul Wellmann. »Und sie machen eine prima Dauerwurst aus den borstigen Viechern.«
»Nach dem Erlebnis von gestern sind sie mir geräuchert auch wesentlich lieber«, meinte Lindt, winkte Jan mitzukommen und griff nach der Türklinke.
»Wo sollen wir beginnen?«, überlegte Sternberg, als sie vor den beiden zusammengebauten Mietshäusern in der Südstadt angekommen waren. »Bei der Ehefrau?«
»Antonia Gallo«, suchte Lindt die Reihe der Türschilder durch. »Hier, das passt vielleicht – Gallo,
V. und A.« Er drückte auf den Klingelknopf und wartete, aber nichts rührte sich. Zwei weitere Male versuchte er es, ohne Erfolg. Dann nahm er die Klingel darüber.
Nach dem zweiten Läuten öffnete sich ein Fenster im ersten Stock und der Kopf einer jungen blonden Frau lugte heraus. »Bitte?«
»Wir möchten zu Gallo«, sagte Lindt und ärgerte sich gleichzeitig, denn dieser Name stand auf sieben von zwölf Schildern.
»Zu wem denn genau? Hier heißen fast alle so.«
»Vittorio oder Antonia. Ist da jemand zu Hause?«
»Nein, keiner da«, antwortete die Frau und war schon wieder verschwunden, ehe der Kommissar etwas sagen konnte.
Entschlossen drückte er abermals auf dieselbe Klingel.
Das Fenster öffnete sich erneut: »Was denn noch?«
»Könnten wir dann mit Ihnen sprechen?«
Ein misstrauischer Blick: »Wieso mit mir? Wer sind Sie überhaupt?«
Lindt hielt seinen Dienstausweis in die Höhe: »Kriminalpolizei, bitte machen Sie uns auf.«
Die junge Frau zuckte sichtbar zusammen: »Polizei? Worum geht es?«
»Vielleicht drinnen?«
Der Kopf verschwand wieder und kurze Zeit später summte der Türöffner.
Die beiden Beamten traten ein und stiegen zwei Treppen nach oben, wo sie erwartet wurden. Sonnenbrille im Haar, ärmelloses kurzes Top, das den gepiercten Bauchnabel freiließ, enge, tiefsitzende Siebenachteljeans und nackte Füße in schwarzen, flachen Riemchensandalen. »Darf ich noch mal Ihren Ausweis …?«
Der Kommissar hielt ihn ihr vors Gesicht. »Lindt, Kripo Karlsruhe. Mein Kollege Sternberg.«
Von drinnen ertönte Kindergeschrei. Die Frau blieb in der Tür stehen. »Ich bin mit den Kindern alleine.«
Zwei kleine Mädchen kamen angerannt. Sie erschraken über die beiden fremden Männer, versteckten sich hinter der Mama und klammerten sich an deren Hosenbein fest. Zwillinge, auf den ersten Blick zu erkennen, beide in denselben blumengemusterten Sommerkleidchen. Blond wie die Mutter, allerdings mit braunen statt mit blauen Augen. Neugierig lugten sie an der Seite hervor.
»Wir wollten eigentlich zu Antonia oder Vittorio Gallo«, begann Lindt.
»Ich bin die Schwiegertochter, eine Schwiegertochter, eine von vier.«
»Wohnen alle hier im Haus?«
»Hier oder nebenan.«
»Großfamilie«, sagte Jan.
»Hat Vorteile, meistens jedenfalls. Wenn nur der Großvater noch hier … Aber das wissen Sie ja sicherlich.«
»Ihr Schwiegervater wird vermisst«, sagte Lindt. »Das haben wir mitbekommen.«
»Ja, spurlos verschwunden, seit sechs Jahren.«
»Gab es keinerlei Lebenszeichen seither?« Er schaute die junge Frau prüfend an.
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts, gar nichts. Antonia geht jeden Tag in die Kirche und zündet eine Kerze für ihn an. Sie gibt die Hoffnung nicht auf.«
»Wann können wir Ihre Schwiegermutter hier antreffen?«
»Das kann dauern. Sie ist jetzt oft bei ihrer Schwester in Kalabrien.«
»Länger?«
»Ein paar Wochen bleibt sie bestimmt noch, obwohl wir sie hier gut brauchen könnten.« Sie streichelte die Köpfe ihrer Töchter. »Gell, schade, dass die Nonna schon wieder in Italien ist.«
Lindt beugte sich zu den Mädchen hinunter: »Macht bestimmt gute Spaghetti, eure Oma. Mögt ihr Tomatensoße gern?«
»Napoli«, sagte eine der
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