Fächerkalt
aufgefallen.
»Massive
Türen!« Sternberg befühlte das Eichenholz und zählte: »Haus, Scheune, Werkstatt,
überall dieselbe Machart.«
»Wieso Werkstatt?«,
wollte Lindt wissen und musterte das etwas niedrigere Gebäude an der Längsseite
des Hofes.
»Wetten,
dass ich recht habe? So sieht eben eine Werkstatt aus.«
Sternberg
nahm seinem Chef den Schüssel aus der Hand und steckte ihn ins Zylinderschloss.
»Halt!«,
gebot der Kommissar. »Warte noch.« Er wandte sich von der Werkstatttür ab und ging
Richtung Wohnhaus. Dort stieg er vier flache, breite Sandsteinstufen empor und stand
vor der dunkelbraunen, leicht golden schimmernden Eingangstür. Ein glänzender Messingknopf
ragte aus deren Mitte und Lindt drückte darauf. Melodiöser Dreiklang ertönte gedämpft
durch das dicke Eichenholz.
Lindt wartete,
aber er erwartete nichts. Es war ihm schon klar gewesen, als er den leeren kahlen
Hof betrachtet hatte. Er erwartete nichts. Nichts, was noch hätte geschehen können.
Nichts, was nicht längst geschehen war. Er fühlte eine merkwürdige Kälte über seinen
Rücken ziehen, und wirklich, es rührte sich nichts.
»Hier gefällt’s
mir nicht, Chef«, raunte Jan Sternberg von hinten, erstaunlich leise, ja auffallend
leise, völlig im Gegensatz zu seiner sonst so forschen Art.
Der Kommissar
drehte sich um. »Du spürst es also auch.«
Jan zog
die Schultern hoch. »Komische Stimmung hier, irgendwie kalt.«
»Ein Hauch,
ein eiskalter Hauch.« Wie in Zeitlupe ging er die vier Stufen herunter und sah seinen
Mitarbeiter traurig an. »Solche Orte wie hier, Jan, solche Orte machen uns fertig,
die geben uns den Rest.«
Ohne ein
weiteres Wort zu verlieren, ging er an Sternberg vorbei zum Tor. Es bedurfte keiner
Aufforderung. Lindts junger Kollege war ebenso froh, den Hof verlassen zu können,
und folgte seinem Chef.
Paul Wellmann
sah die beiden kommen. Lindts Gesichtsausdruck genügte ihm. Er wusste Bescheid.
»Schlimm?«
»Jan spürt
es auch, eindeutig, ohne Zweifel. Wenn es irgendwo wohnt, dann hier. Bei jedem unserer
Fälle begegnen wir ihm, aber da drin«, der Kommissar zeigte in den Hofraum hinein,
»da drin ist es zu Hause. Zweifellos!«
»Soll ich
Ludwig …?«
Lindt nickte
nur stumm und trat zum Auto. Sein Blick traf den von Konstantin von Villing.
»Ich sehe,
Sie verstehen mich jetzt«, sagte der und das Flackern in seinen Augen bedurfte keiner
weiteren Erklärung.
»Wir waren
nur im Hof.«
»Ach.«
»Demnächst
kommen unsere Spezialisten.« Der Kommissar wandte sich zur Seite und griff in seine
Jackentasche, um sich seine neue Pfeife zu stopfen. Mechanisch, automatisch, ohne
nachzudenken, wie immer, wenn er nicht weiterwusste.
»In der
Scheune«, kam von hinten.
»Wer wohnt
außer Ihnen noch im Haus?«, drehte sich Lindt wieder um.
»Wohnte!
Es muss heißen: Wer wohnte im Haus, denn ich wohne nicht mehr da, schon seit 14
Tagen nicht mehr, und sonst wohnt auch niemand mehr hier.«
»Und vorher?
Sie und diese …«, der Kommissar zog die laminierte Visitenkarte aus der Brusttasche
seines Hemdes, »… diese Frau Stoll?«
»Sonst niemand«,
stellte von Villing lakonisch fest, »zumindest nicht, seit ich vor zwei Jahren eingezogen
bin.«
»Und vorher?
Was wissen Sie über die Zeit davor?«
Die Antwort
war ein Schulterzucken. »Keine Ahnung, hat mich nie interessiert.«
Die Lüge
stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Lindt trat
einen Schritt zurück, um den Gehsteig für ein älteres Ehepaar freizugeben. Deren
Reaktion war genau so, wie der Kommissar es erwartet hatte. Sobald sie auf Höhe
des Citroëns waren und erkannten, wer da auf der Rückbank des dunkelroten Wagens
saß, erstarrten sie für einen Moment, um dann mit doppelter Gehgeschwindigkeit zu
machen, dass sie fortkamen. Lindt gab Paul Wellmann ein Zeichen, ihnen zu folgen.
Fünf Häuser
weiter öffnete das Ehepaar ein Hoftor. Wellmann nutzte die Gelegenheit, die beiden
anzusprechen. Das Kopfschütteln konnte Lindt selbst auf die Entfernung deutlich
erkennen.
»Sie werden
Paul nicht reinlassen«, raunte Jan Sternberg seinem Chef halblaut zu.
»Sie werden
von den Nachbarn nichts erfahren«, kommentierte von Villing durch das geöffnete
Autofenster. »Hier hat mich noch nie einer gegrüßt.«
»Und, woran
liegt das wohl?«, konterte Lindt.
»Ich hab
keinem von denen was getan!«
»Sicher?«
»Wie meinen
Sie das?«
3
Der eintreffende Transporter der
Spurensicherung ersparte dem Kommissar eine Antwort. Zwei Streifenwagen und
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