Fahr zur Hölle Mister B.
ich sogar sehr. Da ich gelernt hatte, mich recht passabel für einen Menschen auszugeben, fiel es mir jetzt nicht schwer, den Besucher zu spielen, der erwartet wurde – und mir war es egal, ob man mich für einen Menschen hielt oder nicht.
»Schließ die Tür«, sagte ich zu dem jungen Mann. Abermals besaß meine Stimme eine Befehlsgewalt, die keinen Widerspruch duldete. Der junge Mann sank auf Hände und Knie, kroch mit gesenktem Kopf und abgewendetem Blick an mir vorbei und stieß die Tür zu.
Bis zu dem Augenblick, als die Tür ins Schloss fiel, war mir nicht klar gewesen, wie bedeutend dieses Haus geworden war, in dem Gutenberg seine geheime Arbeit tat. Hier erhielt ich vielleicht die Antwort auf die Frage, die uns alle beschäftigt, wenn wir ehrlich sind: Warum lebe ich? Noch hatte ich diese Antwort nicht, doch nach den wenigen Worten, die ich hier vernommen hatte, erfüllte mich ein Gefühl der Vorfreude, dass mir fast schwindelig davon wurde. Ich hatte eine lange Reise hinter mir und mich in deren Verlauf mehrmals verzweifelt gefragt, welchem Zweck ich diente, und jetzt traf ich unter diesem Dach einen Mann, der mich vielleicht von der quälenden Angst zu erlösen vermochte, dass ich gar keinem diente: Johannes Gutenberg hatte von mir geträumt.
»Wo seid Ihr, Johannes Gutenberg?«, rief ich. »Ich glaube, wir haben eine offene Angelegenheit zu regeln.«
Als Antwort auf meinen Ruf trat ein beeindruckend großer, breitschultriger Mann mit langem ergrautem Bart vor. Er sah mich mit aufgedunsenen, blutunterlaufenen Augen, aber dennoch höchst erstauntem Blick an.
»Eure Worte«, sagte er, »sind dieselben, die Ihr in meinem Traum gesprochen habt. Ich weiß es, denn als ich erwachte, fragte ich meine Frau, was für eine offene Angelegenheit Ihr wohl meinen könntet. Ich überlegte mir, ob wir vergessen haben könnten, irgendwelche Rechnungen zu bezahlen. Sie sagte mir, dass ich weiterschlafen und die Sache vergessen solle. Aber das konnte ich nicht. Ich kam hierher, genau an die Stelle, wo ich in meinem Traum stand, als Ihr eingetreten seid, und wo ich jetzt stehe.«
»Und was habt Ihr in Eurem Traum zu mir gesagt?«
»Ich sagte, willkommen in meiner Werkstatt, Mister B.«
Ich senkte den Kopf ein klein wenig wie die unmerklichste Andeutung einer Verneigung. »Ich bin Jakabok Botch.«
»Und ich bin –«
»Johannes Gutenberg.«
Der Mann lächelte hastig. Meine Gegenwart machte ihn eindeutig nervös, doch das schien mir nur recht und billig. Schließlich klopfte hier nicht irgendein offizieller Abgesandter der Mainzer Gilden an die Tür und verlangte Bier und den neuesten Klatsch und Tratsch. Hier hatten wir es mit einem Traum zu tun, der aus dem Reich des Schlafes in die Realität kam.
»Ich will Euch kein Leid zufügen, Sir.«
»Leicht gesagt«, antwortete Gutenberg. »Aber schwerer zu beweisen.«
Darüber dachte ich einen Moment nach, dann bückte ich mich ganz langsam, um niemanden zu beunruhigen, und hob das Messer auf, das der junge Mann fallen gelassen hatte. Ich reichte es ihm, mit dem Griff zuerst.
»Hier. Nehmt es. Und sollte ich etwas tun oder sagen, das Euch beunruhigt, so schneidet mir die Zunge ab und stecht mir die Augen aus.«
Der junge Mann rührte sich nicht.
»Nimm das Messer, Peter«, sagte Gutenberg. »Aber du musst weder schneiden noch stechen.«
Der junge Mann nahm das Messer an sich. »Ich weiß, wie man damit umgeht«, sagte er drohend. »Ich habe schon Menschen getötet.«
»Peter!«
»Ich sage ihm nur die Wahrheit, Johannes. Du bist derjenige, der dieses Haus zu einer Festung machen wollte.«
»Ja, so ist es«, antwortete Gutenberg fast schuldbewusst. »Doch ich habe auch viel zu beschützen.«
»Ich weiß«, sagte Peter. »Und warum lässt du dann diese, diese Kreatur herein?«
»Sei nicht grausam, Peter.«
»Wäre es grausam, ihn zu töten?«
»Nicht, wenn ich es verdient hätte«, warf ich ein. »Würde ich irgendwem unter diesem Dach etwas Böses wollen, dann hättet ihr jedes Recht, mich von Kopf bis Fuß aufzuschlitzen.«
Der junge Peter sah mich bestürzt an. Er machte den Mund auf und zu, als läge ihm eine Antwort auf der Zunge, brachte aber keine heraus.
Aber Gutenberg hatte etwas zu sagen. »Sprechen wir nicht über den Tod, da so vieles, von dem wir beide geträumt haben, endlich zum Greifen nah ist.« Er lächelte, als er das sagte, und da sah ich kurz den jüngeren, glücklicheren Mann, der er einmal gewesen war, bevor er seine Erfindung machte,
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