Fahrt ins Ungewisse
nie besuchen gekommen?“, frage ich etwas wehleidig.
„Wenn du mich sehen willst, hättest du dir ja einfach einen Flug buchen können!“
„Stimmt!“, Sebastian dreht wieder die Musikanlage auf volle Lautstärke und lässt seine verletzende Aussage einfach im Raum stehen, dabei quält mich diese Frage schon so lange. Tausende Male habe ich ihm schon angeboten, er solle zu mir fliegen und bei mir wohnen. Ich hätte es natürlich nicht zugelassen, dass er in einem Hotel übernachtet. Es reicht mir, wenn ich neben ihm liege und spüre, dass er da ist, denn dann ist meine Welt auf wundersame Weise wieder in Ordnung. Er strahlt für mich unendliche Sicherheit aus, die Energie, die ich mir von ihm hole, wirkt Wochen später noch nach. Sehnsüchtig erwarte ich dann den Morgen, um den „großen, kleinen Sebastian“ in der Früh zumindest ansehen zu dürfen, wenn er aufsteht und ins Bad geht. Ich muss nicht erst den nächsten Tag abwarten, denn wenn er neben mir liegt, bin ich die ganze Zeit hindurch erregt. Manchmal spiele ich in Gedanken die Situation durch, wie es wäre, wenn ich Sebastian sage, dass ich schwul bin, ihn sogar liebe und er mir entgegnet, dass er gleich fühlt. Wie unser erster Kuss dann wäre. Wie es sich anfühlen würde, seinen schönen Körper mit Küssen von den Lippen weg bis zu den Füßen zu bedecken. Dann denke ich daran, wie es wäre, sein Glied zu betrachten, es zu berühren, es mit meinen Lippen zum ersten Mal zu küssen.
Und dann wird mir wieder bewusst, dass es nie zu dieser Situation kommen würde. Nicht nur, weil Sebastian hetero ist, sondern, weil ich wahrscheinlich nie den Mut finden werde, es ihm zu sagen.
Nach rund einer dreiviertel Stunde Autofahrt kommen wir in Klausenburg an. Verwandte von Sebastian leben in dieser kleinen Stadt und seine Mutter hat ihm ein kleines Paket gemacht, das er dort abliefern soll.
Nachdem wir uns auch noch verfahren und zwei Mal die richtige Abzweigung verpassen, kommen wir endlich zu dem kleinen, etwas heruntergekommenen Haus, in dem sich auch die Wohnung der Mateis befindet.
„Hier ist es, aber ich warne dich vor, es ist eine sehr kleine Wohnung, hoffentlich haben Sie überhaupt eine Couch, sonst müssen wir auf dem Boden schlafen...“, meint Sebastian. Solange er in meiner Nähe liegt, soll mir auch ein Steinboden recht sein, durchzuckt es mich.
Die Wohnung, in die wir Minuten später gelangen, ist weniger als klein. Sie besteht aus zwei Zimmern, einem Schlafzimmer und einer Wohnküche, in der auch eine Couch steht, die bereits ausgezogen und mit einem Leintuch bedeckt ist. Wir begrüßen das schlecht Englisch sprechende Pärchen, das uns erklärt, dass wir gerne auf der Couch schlafen können und es noch einen Eintopf in der Küche gibt, den wir gerne essen dürfen. Nachdem Sebastian noch das Paket seiner Mutter überreicht hat, ziehen sich die beiden ins Schlafzimmer zurück, da sie am nächsten Tag früh raus müssen, um in die Arbeit zu gehen. Mir ist das absolut nicht unrecht, denn jede Minute, die ich Sebastian länger für mich alleine habe, macht mich glücklich.
Wir setzen uns auf die ausgezogene Couch und lassen uns dann mit einem Seufzer zurück fallen. Trotz der langen Fahrt haben wir noch nicht allzu viel Persönliches miteinander geredet. Nein, falsch ausgedrückt, wir haben noch nicht das Richtige geredet und ich verfluche mich leise, dass ich ein so großer Feigling bin.
„Irgendetwas steht zwischen uns, willst du nicht endlich mit der Sprache rausrücken?“, fragt mich da Sebastian und ich muss augenblicklich schlucken.
„Merkt man mir das wirklich an?“, frage ich etwas verunsichert und bin zeitgleich aber auch irgendwie erleichtert, dass unser altes Freundschaftsband immer noch existiert. Wir wussten wie selbstverständlich, wann es dem anderen nicht gut ging, Not am Mann war, etwas Schlimmes passiert war, oder einfach ein Zuhörer gebraucht wurde.
„Doch, schon... Aber, wenn du nicht darüber reden willst...“, und wie ich darüber reden wollte! Alles wollte ich Sebastian erzählen. Wie gerne wollte ich ihm erklären, wieso ich immer rot anlief, wenn er mich ansah, wieso meine Hände heiß waren, wann immer wir uns berührten, warum mein Blick immer noch auf seinen Augen ruhte, wenn er seinen schon längst abgewandt hatte.
Aber, hier? Im Haus der Freunde seiner Mutter? In einer heruntergekommenen Wohnung irgendwo in Klausenburg? Am Anfang unserer Reise, die uns noch zu den schönsten Plätzen in ganz
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