Fahrt zur Hölle
warum beschäftigen Sie keine einheimischen Seeleute?«, brummte Graupenschlager.
»Eine solche Diskussion ist an dieser Stelle fruchtlos«, übernahm Rukcza wieder die Gesprächsführung. Er klopfte mit der Spitze seines Kugelschreibers auf die Tischplatte. »Alle uns derzeit vorliegenden Informationen sind sehr dürftig. Wir wissen nichts über die Entführer, haben keine Informationen über den Zustand der Besatzung. Einzig die Kaperung ist definitiv.«
»Nach Eyl«, sagte der Admiral nachdenklich. »Das ist das Piratennest an der Küste. Die Stadt ist etwa so groß wie Husum. In die Gewässer um Eyl wurden viele der entführten Schiffe manövriert. Nachdem die Fischerei an der Küste praktisch zum Erliegen gekommen ist und die einheimischen Fischer mit ihren unzureichenden Booten zusehen mussten, wie ihnen die illegalen russischen, chinesischen und thailändischen Fangflotten die Gewässer leer fischten, haben sie sich auf die Piraterie verlegt. Das ist für die armen Somalier ein einträgliches Geschäft. Deshalb lockt es auch immer mehr Leute aus dem Hinterland an.«
»Piraterie in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen gefährdet erheblich die Schifffahrt. Bei Piratenüberfällen besteht stets das Risiko, dass Besatzungsmitglieder und Passagiere verletzt, entführt oder getötet werden. Piraterie ist kein lokales, sondern ein weltweites Phänomen, das in den letzten Jahren zugenommen hat und insbesondere im stark befahrenen Seegebiet vor Somalia eine akute Bedrohung darstellt. Auch für die deutsche Seeschifffahrt ist die Piraterie ein bedeutendes Problem. Schiffe deutscher Reedereien transportieren Waren und Passagiere auf den Meeren der Welt, deutsche Seeleute sind auf Schiffen unter deutscher und fremder Flagge weltweit unterwegs.« Rukcza legte das Blatt Papier zur Seite, von dem er abgelesen hatte.
»Von wem stammt dieses Papier?«, fragte der BND -Mann de Buur.
»Das haben wir herausgegeben«, erklärte von Schwinges von der Bundespolizei. »Es gehört zur Prävention gegen Piratenüberfälle.«
»Es ist ein Bundespräsident abgetreten, weil er dafür kritisiert wurde, dass er von schützenswertem Handel sprach, den Deutschland zum wirtschaftlichen Überleben benötigt«, gab Sylvester Graupenschlager zu bedenken.
»Meine Herren!«, mahnte Rukcza.
»Woher kam das Schiff?«, fragte Lüder. Ihn traf ein strafender Blick des Staatsministers, aus dem Lüder herauslas, dass man ihm eigentlich kein Rederecht einräumen wollte.
Nils Jessen räusperte sich. »Unsere Reederei verfügt über insgesamt fünf Schiffe, die alle nach Volksstämmen benannt sind: die ›Sachsenexpress‹, ›Sorbenexpress‹, ›Friesenexpress‹, ›Hessenexpress‹ und die ›Holstenexpress‹, die jetzt in die Hände der Kidnapper gefallen ist. Alle Schiffe bewegen sich in der Größe zwischen vier- bis sechstausend TEU . Das steht als Abkürzung für ›Twenty-foot Equivalent Unit‹ und ist eine Maßeinheit für einen Standardcontainer.«
»Die Holstenexpress kann also sechstausend Container laden«, übersetzte Lüder.
Jessen nickte. »Genau sind es fünftausendvierhundertzweiundsiebzig.«
Lüder schürzte die Lippen. »Das ist eine ganze Menge.«
Der Reeder winkte ab. »Damit sind wir kaum noch konkurrenzfähig. Neue Schiffe haben bis zu zehntausend und mehr Container geladen. Mit unseren fünf Schiffen, auch das ist nicht viel, bedienen wir eine einzige Linie. Die ›Holstenexpress‹ kam aus Busan. Das ist die zweitgrößte Stadt Südkoreas und der fünftgrößte Containerhafen der Welt. Zum Vergleich: Hamburg steht an zwölfter Stelle. Die nächste Station war Schanghai, mit dreiundzwanzig Millionen Einwohnern die bedeutendste Industriestadt Chinas und zugleich der größte Hafen der Welt. Durch die Straße von Malakka –«
»Die lange Zeit als das am meisten durch Piratenüberfälle gefährdete Gebiet der Welt galt«, warf der Flottillenadmiral ein.
Jessen bestätigte es durch Nicken. »Das hat uns viel Geld gekostet. Ich meine die hohen Versicherungsprämien. Also: Der nächste Hafen ist Port Kelang.«
»Wo ist das?«, fragte Kriminaldirektor Dr. Starke.
»Das ist der Hafen von Kuala Lumpur in Malaysia. Die letzte Station in Asien ist Chennai, das frühere Madras in Indien. Von dort führt die Route quer über den Indischen Ozean, genau genommen heißt dieser Teil, an dem wir entlangfahren, Arabisches Meer, zum Golf von Aden und damit zum Horn von Afrika. Dann geht es durch den Suezkanal und das
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