Faith (German Edition)
damit nicht mal aus der Tür gekommen. Es war der falsche Zeitpunkt.“
Richard schob Faith ein bisschen von sich weg, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Seine Augen suchten die ihren.
„Wenn es dir nicht gelungen wäre, ihm das Zeichen der Macht zu nehmen, so hätte er immerhin gewusst, dass du sein Geheimnis kennst. Das wollte ich verhindern.“
„Aber du hast mich verleugnet. Ich konnte nicht wissen, ob du noch auf meiner Seite stehst. Ich weiß es auch jetzt noch nicht.“
Faith sah Richard forschend in die Augen. Dort fand sie die Antwort und hörte gleich darauf die Bestätigung in seinen Worten.
„Ich liebe dich, ich könnte dich nicht belügen.“
Er zog sie noch einmal in seine Arme und küsste sie zärtlich.
Die kleine Pforte hatte sie auf den Teil des Innenhofes hinaus geführt, der den Ställen am nächsten lag. Die lang gezogenen grauen Gebäude wirkten verlassen.
„Woher wusstest du, wo du mich finden konntest?“
„Maia hat mir gesagt wo du bist, aber jetzt sei still!“
Richard ging langsam auf die Stallungen zu. Corone wartete gesattelt am Seiteneingang. Faiths Bogen hing zusammen mit dem Köcher am Sattel. Die graue Stute schnaubte leise, als sie Richards Stimme hörte.
Plötzlich blieb er stehen und sah nach oben. Faith folgte seinem Blick.
Was sie sah, ließ sie bis ins Mark erschauern.
Oben, an einem der schmalen Fenster der Burg, dem einzigen, das hell erleuchtet war, stand Leathan und sah unbeweglich auf sie und Richard herab.
Übergroß wirkte sein Schattenriss, wie der eines riesigen schwarzen Vogels. Die violetten Augen glühten.
Richard starrte dorthin, als ob er einen Geist sähe. Dann straffte sich seine Gestalt, richtete sich auf, schien ein Stück zu wachsen.
Faiths Augen bewegten sich fieberhaft zwischen Vater und Sohn hin und her.
Noch immer stand drohend die dunkle Gestalt über ihnen. Leathan bewegte sich nicht. Sein Blick hielt sie fest. Faith fühlte, wie das Pochen im Inneren des Medaillons sich verstärkte.
Sie nahm das Schmuckstück, das wie ein warmes lebendiges Wesen an ihrer Brust lag, in die Hand. Ohne nachzudenken strich sie sanft darüber, so, als ob sie ein kleines Tier beruhigen wollte, dessen ängstliches Herz aufgeregt pochte. Faith wünschte sich weit weg von diesem Ort, sie wünschte sich ein Pferd, um zu Annabelle zu gelangen. Sie hoffte, dass es noch nicht zu spät war, um Lisa zu befreien.
Hier hatte die Zeit eine andere Bedeutung. Faith wusste nicht, wie viel Zeit seit Lisas Aufbruch in die Anderswelt vergangen war. Und sie ahnte nicht, dass Lisa längst wieder in ihrer eigenen Welt lebte.
„Nimm dir Corone, beeil dich Faith, lange kann ich ihn nicht aufhalten.“ Richards Stimme.
Das Medaillon sprang unter ihrer sanften Berührung auf.
Ein strahlender glutroter Blitz traf Leathan, während er sprang. Geblendet schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete, war Faith verschwunden.
Annabelle ist fassungslos
Sie kam mit all ihren Elfen. Wie eine vom Sturm getriebene weiße Wolke rasten sie durch das Land des Nebels. Tausende weiß glänzende Pferdeleiber, deren Reiter in makellosen schneeweißen Uniformen steckten. Ihre ebenso weißen Umhänge flogen hinter ihnen her wie die Nebelschwaden, die diesem Land ihren Namen gaben.
Erregt bellende Silberfüchse.
Eingehüllt in einen immerwährenden diffusen Dunst, lag das Land feucht und unwirtlich zwischen Annabelles Fürstentum und dem überschwemmten Gebiet, das ihr und Leathans Reich trennte.
Hier hindurchzureiten war der kürzeste Weg. Er war aber zugleich der trostloseste, daher mied Annabelle ihn gewöhnlich. Selbst die Geräusche erschienen durch den allgegenwärtigen Nebel wattig und ungenau. Die wenigen Früchte, die hier wuchsen, waren geschmacklos und fad. Auf heruntergekommenen Feldern arbeiteten Trolle, die hier so etwas wie eine Heimat gefunden hatten. Die Sonne suchte vergeblich den Weg durch den Dunst und kapitulierte, bevor sie noch richtig aufgegangen war.
Haarlose Katzen jagten Mäuse ohne Fell, deren ersticktes Fiepen nur gedämpft, kaum hörbar war. Fast durchsichtige, handtellergroße Insekten taumelten durch feuchte Schleier, schlaff und kraftlos. Fingerdickes giftiges Gewürm schlängelte sich am Boden und suchte Schutz vor den tödlichen Hufschlägen der weißen Armee.
Stachlige Schlingpflanzen umarmten schwächliche schwarze Stämme von blattlosen Bäumen, deren dürre Zweige klebrigen Schleim absonderten. Vögel, die sich darauf niederließen, wurden
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