Faith (German Edition)
Gänge des Teiles der Burg, der den Frauen vorbehalten war. An den Wänden aus glatt behauenem rotem Fels gab es reich verzierte eiserne Halterungen. Dicke gelbe Kerzen staken darin, aber niemand hatte sie angezündet.
Rabenschwarze Dunkelheit umgab sie. Winzig kleine Insekten taumelten vor ihren Füßen dicht über den steinernen Boden. Ihr geheimnisvolles blaues Flackern wies ihr den Weg durch düstere Gänge und Hallen. Kein Wesen in dieser gewaltigen Anlage schien noch wach zu sein.
Die Stille hier dröhnte geradezu in ihren Ohren. Faith dachte an den Glanz und die Helligkeit in Annabelles märchenhaftem Palast. Fast sehnte sie sich, angesichts der geisterhaften Leblosigkeit ihrer jetzigen Umgebung, wieder in dieser glitzernden, lauten und strahlend erleuchteten Welt zu sein. Dort hatte es keine Schwärze gegeben, keine drohende Stille. Niemand schlief, bevor ein neuer Morgen die Nacht vertrieb.
Sehnsüchtig dachte sie an die herrlich ruhigen Nächte in ihrem eigenen Bett, zu Hause in der alten Villa.
Das Verlangen nach der Geborgenheit und Sicherheit, die sie stets in Roberts Nähe empfunden hatte, trieb ihr die Tränen in die Augen. Wütend rieb sie sie weg.
Sie musste hier raus.
Das Medaillon trug sie unter ihrem Hemd an der Gliederkette, die Richard ihr an ihrem Geburtstag um den Hals gelegt hatte. Es gab eine sanfte, pulsierende Wärme ab, fast, als ob ein winziges Herz darin schlüge. Sie spürte, wie das Blut schneller durch ihre Adern floss und in den Schläfen pochte.
Die Halle, in der sie sich jetzt befand, kam ihr bekannt vor. Langsam ging sie weiter, darauf bedacht, nicht das geringste Geräusch zu verursachen. Dann stand sie vor der Tür, durch die sie heute schon einmal gegangen war.
Leathans Tür.
Beinahe wäre sie über den am Boden liegenden schlafenden Kobold gestolpert.
Erschrocken trat sie einen Schritt zurück. Eine Hand legte sich über ihren Mund und erstickte ihren Aufschrei, als sie von hinten festgehalten wurde. Zappelnd und keuchend wehrte sie sich gegen den unsichtbaren Angreifer, bis sie dessen Stimme hörte.
„Sei leise, wenn Leathan uns hört, sind wir verloren.“
Richards Flüstern klang drängend und besorgt.
„Komm, wir müssen uns beeilen.“
Er nahm ihre Hand. Faith ließ sich von ihm führen, obwohl sie misstrauisch war. Was wollte er jetzt von ihr, woher wusste er, dass sie hier war?
Er hatte sie verraten, sich auf die Seite seines Vaters gestellt, sogar verhindert, dass sie die Magie ihres Mondsteinringes einsetzte, als sie Leathan gegenüberstand.
Aber seine Augen fanden sicher den Weg durch die inzwischen vollkommene Dunkelheit.
Die blau leuchtenden Käferchen waren verschwunden. Ohne Richard war sie hilflos und blind in diesem Labyrinth, das er seit seiner Kindheit kannte.
Sie brauchte ihn, um hier herauszufinden.
Maia hatte Richard geweckt, als sie Faiths Flucht bemerkte. Natürlich war ihr klar gewesen, dass das Mädchen die Burg verlassen würde, sobald sie das Medaillon wieder hatte. Sie hoffte, dass sie das Richtige tat, indem sie den beiden jungen Leuten dabei half, Leathan zu entkommen. Auch sie kannte die Prophezeiung und wünschte, dass das Zeichen der Macht in die richtigen Hände käme.
Wenn Maia gewusst hätte, dass die Hände, in die es gelegt werden sollte, die ihrer Tochter Annabelle sein würden, hätte sie Faith daran gehindert zu gehen.
Richard zog Faith mit sich zu einer kleinen Pforte, die nur mit einem Eisenriegel gesichert war. Kein Schloss hinderte ihn daran, sie zu öffnen.
„Was willst du?“ Faith schüttelte Richards Hand ab und starrte ihn wütend an.
„Ich will dir helfen.“
„Du mir?“ Sie stand vor ihm, zitternd vor einer Kälte, die nicht nur von außen kam, die Hände zu Fäusten geballt.
So bezaubernd.
Richard hätte sie gerne in die Arme genommen und geküsst, aber er ahnte, dass das jetzt keine gute Idee war. Stattdessen zog er seine Weste aus und legte sie ihr um die Schultern.
„Ich brauche deine Hilfe nicht!“ Faiths Zähne klapperten, als sie versuchte, das wunderbar warme Kleidungsstück abzuschütteln.
Und nun zog Richard Faith doch an sich und hielt sie ganz fest.
Sie sträubte sich nur wenig, denn die Wärme und der Schutz, den Richard ihr bot, waren verführerisch und so tröstlich, dass sie es nicht fertig brachte, sich wirklich daraus zu lösen.
„Lass mich dir helfen und hör mir zu. Du hättest mit Hilfe deines Ringes Leathan vielleicht das Amulett abnehmen können. Aber du wärest
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