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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Arsch.«
»Blödmann! Wie komm ich dazu? Ich liebe dich doch!«
»Yeah.«
»Jetzt steh auf und lauf rum. Versuch mal zu gehn.«
Ich stand auf und ging langsam durchs Zimmer.
»Hey, das geht ja ganz gut! Ich komm mir zwar vor wie ein Eunuch, aber sonst geht mirs ganz gut.«
»Die Eunuchen sind wahrscheinlich aus allem raus.«
»Glaub ich fast auch.«
»Wie wärs mit ein paar wachsweichen Eiern?«
»Klar, mach welche. Ich glaub, ich bleib doch noch ne Weile am Leben.«
Jan setzte einen Topf Wasser auf, tat vier Eier rein, und wir warteten.

64
    Ich war um 9 Uhr da. Der Hausmeister zeigte mir, wo die Stechuhr war. Ich steckte meine Karte rein. Er gab mir drei oder vier Putzlappen und einen großen Pott voll Politur. »Um das Gebäude geht draußen ein Messinggeländer rum. Das polieren Sie.« Ich ging raus und suchte nach dem Messinggeländer. Es war da. Es ging um das Gebäude herum. Das Gebäude war groß. Ich schmierte ein bißchen Politur auf die Messingstange und rieb das Zeug mit einem der Putzlappen wieder ab. Es schien nicht viel zu nützen. Leute kamen vorbei und sahen mich verwundert an. Ich hatte schon viele eintönige und stupide Jobs gehabt, aber das hier war wohl der eintönigste und stupideste von allen.
    Einfach nicht dran denken, sagte ich mir. Aber wie stellt man seine Gedanken ab? Warum mußte ausgerechnet ich dieses Geländer polieren? Warum konnte ich nicht da drin sitzen und Leitartikel über Korruption in der Stadtverwaltung schreiben? Naja, es hätte ja auch schlimmer kommen können. Zum Beispiel Zwangsarbeit auf einem Reisfeld in China.
    Ich polierte das Geländer etwa sieben oder acht Meter weit, dann kam ich um die Ecke und sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Kneipe. Ich ging mit Putzlappen und Pott über die Straße und rein in die Kneipe. Es war niemand drin, nur der Barkeeper.
    »Wie gehts?« fragte er. »Bestens. Geben sie mir ne Flasche Schlitz.«
Er holte eine Flasche raus, machte sie auf, nahm mein Geld und verstaute es in der Kasse.
»Wo sind die Girls?« fragte ich.
»Was für Girls?«
»Sie wissen schon. Die Girls.«
»Das hier ist ein anständiges Lokal.«
Die Tür ging auf. Es war Hausmeister Barnes.
»Kann ich Sie zu nem Bier einladen?« fragte ich. Er kam her und stellte sich neben mich.
»Trinken Sie aus, Chinaski. Ich werd Ihnen noch eine letzte Chance geben.«
Ich kippte das Bier runter und folgte ihm hinaus.
Wir gingen nebeneinander über die Straße. »Messing polieren«, sagte er, »ist eindeutig nicht Ihre Stärke. Kommen Sie mit.« Wir gingen ins Times Building und fuhren mit einem Aufzug nach oben. Wir stiegen in einem der oberen Stockwerke aus. »Also«, sagte er und zeigte auf eine lange Pappschachtel, »in der Schachtel hier sind Neonröhren drin. Neue. Sie wechseln mir jetzt sämtliche kaputten Neonröhren aus. Sie nehmen sie aus den Fassungen und machen die neuen rein. Da steht Ihre Leiter.«
»Okay«, sagte ich.
Der Hausmeister ging weg, und ich war wieder allein. Ich befand mich in einer Art Lagerraum. Der Raum hatte die höchste Decke, die ich je gesehen hatte. Die aufgestellte Leiter war elf Meter hoch. Vor großen Höhen hatte ich mich schon immer gefürchtet. Ich griff mir eine neue Neonröhre und stieg langsam die Leiter hinauf. Ich mußte mich wieder daran erinnern: Bloß nicht dran denken. Ich stieg hinauf. Die Neonröhren waren ungefähr anderthalb Meter lang. Man mußte sich damit in acht nehmen, denn sie gingen leicht entzwei. Als ich oben angelangt war, sah ich mal kurz nach unten. Das war ein großer Fehler. Mir wurde schwindelig. Ich war ein Feigling. Neben mir war ein hohes Fenster. Ich stellte mir vor, ich würde von der Leiter fallen, durch das Fenster raus, durch den leeren Raum, bis ich unten auf die Straße knallte. Auf der Straße unten sah ich die winzigen Autos auf und ab fahren; ihre grellen Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit. Dann, ganz langsam, langte ich hoch und nahm eine ausgebrannte Neonröhre aus der Fassung. Ich ersetzte sie durch eine neue. Dann stieg ich herunter, und mit jeder Sprosse wurde mir leichter. Als ich unten war, schwor ich mir, daß ich nie mehr auf diese Leiter steigen würde.
Ich sah mich auf dem Stockwerk um, las einige Sachen, die auf Schreibtischen herumlagen. Ich ging in ein Büro, das durch Glaswände abgetrennt war. Jemand hatte einen Zettel hinterlassen: »Also gut, wir versuchen es mit diesem neuen Karikaturisten – aber wehe, er taugt nichts. Sollte besser gleich einen guten Einstand

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