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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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stellten sich gut mit der Polizei. Wenigstens war das früher so gewesen.
    Nachdem er fünf Minuten Sturm geklingelt und sich über die Sprechanlage einige Beschimpfungen hatte anhören müssen, kam er zu Wort und stellte sich höflich vor. Wenig später wurde ihm die Tür geöffnet. Ein hagerer, nicht mehr ganz junger Mann in einem weißen Seidenpyjama bat ihn herein. Er wollte nicht einmal seine Dienstmarke sehen. Man sah ihm an, dass er eben noch geschlafen hatte, und das wahrscheinlich noch nicht sehr lange. Um seine Augen herum klebten Schminkreste. Stumm goss der Mann seinem Gast und sich ein Mineralwasser ein.
    „Es tut mir leid“, sagte Fachinger und meinte es so. „Wenn es nicht wichtig wäre, hätte ich es auf heute Abend verschoben.“
    „Worum geht es, Kommissar?“
    „Kennen Sie Gernot Schranz?“, fragte er ohne Umschweife.
    Der Mann überlegte und rieb sich dabei unentwegt die Augen. „Gernot?“ Er schüttete das Wasser hinunter, als wäre es Medizin. „Ja, ich erinnere mich. Aber das ist ewig her. Drei, vier Jahre. Oder länger.“
    „Schranz war regelmäßiger Gast im Hermes?“ Das hätte er nicht fragen brauchen. Die Antwort kannte er selbst. Schließlich war er selbst vor Jahren hier häufig zu Gast gewesen.
    „Das kann man sagen.“ Der Mann lehnte sich jetzt zurück, öffnete die verklebten Lider und sah sein Gegenüber zum ersten Mal richtig an. Seine Augen wurden groß. „Ich kenne Sie“, hauchte er.
    „Okay“, erwiderte Fachinger nur dumpf und wandte den Blick ab. Verfluchte das gute Gedächtnis für Gesichter, das der Mann hatte. Der Bart und die zusätzlichen Pfunde hatten ihn nicht täuschen können. Schranz dagegen hatte ihn nicht erkannt. Das war typisch. Schranz war ein Mann, in der Realität und im Spiel. Der Mann, den er nun vor sich hatte, war eine Frau. Im Spiel. Einfühlsamer. Aufmerksamer. Weniger mit sich selbst und seinem Ego beschäftigt.
    „Sie … du warst früher auch bei uns, nicht wahr? Dirk? Habe ich recht? Das ist doch dein Name?“
    „Die Zeiten sind vorbei.“ Er hatte sich ganz fest vorgenommen, bei dieser Antwort nicht verschämt zu Boden zu blicken, aber er tat es trotzdem.
    „Du bist jetzt hetero?“
    Abstinent , dachte Fachinger. Aber er nickte, um das Thema abzuschließen, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, jemals mit einer Frau etwas zu haben.
    „Dann ist die Frage bezüglich Gernot also eine private Frage? Ich kann dir nicht sagen, wo er ist. Es tut mir leid. Der Kontakt zu ihm ist abgebrochen.“ Der Mann im Seidenpyjama klang aufrichtig. Seine Hand kroch über den Tisch, um sie tröstend auf die des Beamten zu legen.
    Dieser zog seine haarige Pranke weg. „Es ist keine private Frage“, meinte Fachinger. „Es geht tatsächlich um eine Mordsache, in die Gernot verwickelt ist.“
    Der Mann legte seine Stirn in tiefe Falten. „So etwas Ähnliches habe ich schon einmal gehört. Damals. Von einem Tag zum anderen kam er nicht mehr her. Er hat sich nie verabschiedet. Es ging das Gerücht um, er hätte einen Mord begangen. Aber das kam von Leuten, die ihn nicht leiden konnten, und wir nahmen es nicht allzu ernst.“
    „Einen Mord? Das wusste ich nicht.“ Offenbar hatte man Schranz nichts nachweisen können, sonst wäre er nicht auf freiem Fuß gewesen. Auch in INPOL war nichts von einer Ermittlung wegen Mordes vermerkt.
    „Du weißt nicht zufällig, wen er auf dem Gewissen haben soll?“ Auch Fachinger leerte sein Glas, und sein Gegenüber schenkte eilfertig nach. Der Mann klopfte auf das Etikett der Flasche und grinste sein Kleinmädchenlachen. Es war Fachinger Wasser.
    „Einen von seinen Partnern, denke ich. Niemanden aus unserem Klientel.“
    „Und weiter?“
    „Mehr weiß ich nicht. Wie gesagt, ich habe danach nie mehr etwas von ihm gehört. Ich habe mich auch nicht nach ihm erkundigt. Du weißt ja, ich habe ihn nie gemocht. Er hatte so etwas … Kaltes an sich. Wir hatten es einmal miteinander versucht. Es wurde ein Fiasko. Ich brauche Zärtlichkeit, keine Brutalität.“
    Fachinger verkrampfte seine Hände auf seinen Knien. Er war die Offenheit nicht mehr gewohnt, mit der man in der Szene über solche Dinge sprach. Er verschloss das alles in seinem Inneren. Andere outeten sich. Er tat das Gegenteil, verbarg es immer tiefer, nicht nur vor anderen, auch vor sich selbst. Seit Jahren hatte er vor das Thema Sexualität einen dicken Riegel gelegt, hatte vor sich so getan, als würde ihn das in seinem Alter nicht mehr betreffen.
    Er

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