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Falkengrund Nr. 30

Falkengrund Nr. 30

Titel: Falkengrund Nr. 30 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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die sie zuvor aus dem Zimmer vernommen hatte.
    „Koooomm … kooomm …“
    Zornig schmetterte Edeltraud den Hörer auf die Gabel. Das war so billig! Für wie einfältig hielt Konrad sie eigentlich? Wieder nutzte er eine perfekte Technik für dumme, ideenlose Spukbotschaften. Wenn er glaubte, dass sie jetzt nach oben rannte und sich hysterisch gegen die Tür warf, hatte er sich getäuscht.
    Es gab nur eines: Sie musste ganz ruhig werden. Ihm den Spaß verderben. Nichts war mehr schaurig, wenn man es durchschaute. Was blieb, waren ein schlecht ausgeleuchtetes Gebäude, einige mechanische Tricks und ein paar eklige Käfer.
    Betont gelassen ging sie umher, tat, als hätte sie nichts Bestimmtes im Sinn. In Wirklichkeit suchte sie weiter nach dem Schlüsselbund – andererseits: Falls sie ihn fand, konnte sie beinahe sicher sein, dass Konrad ihn für sie bereitgelegt hatte … und dass sie hinter der Tür wieder eine seiner geschmacklosen Showeinlagen erwartete.
    Dann hörte sie es.
    Einen Schrei wie ein Dolch. Alles durchdringend, aus dem Mund eines Mannes. Er kam aus dem ersten Stock, wohl aus der Abgeschlossenheit hinter einer der Türen.
    Soweit entsprach es Edeltrauds Erwartungen.
    Aber etwas passte nicht.
    Der Schrei war so voll echten Schmerzes, voll tief empfundenen Grauens, dass man ihn nicht fälschen konnte. Niemand, der nicht auf der Schwelle des Todes stand, der nicht den Verstand zu verlieren drohte oder nicht aufs Blut gefoltert wurde, vermochte einen solchen Schrei auszustoßen.
    Der Schrei nahm kein Ende, und je länger er währte, desto enger schloss sich eine unsichtbare Klammer um die Brust der Frau. Sie begann zu laufen, die Treppe empor, blieb mit dem Fuß an der obersten, der letzten Stufe hängen, stürzte und sah die Spitze ihres eigenen Messers auf sich zurasen. Sie riss den Kopf herum, dass es ihr heiß in den Nacken fuhr. Die Spitze verfehlte sie, doch die Schneide ritzte ihre Wange unterhalb des Wangenknochens. Wäre ihre Reaktion auch nur eine halbe Sekunde später gekommen, würde sie sich jetzt schreiend mit einer tödlichen Wunde auf dem Boden wälzen, das Messer in ihrer rechten Augenhöhle, die Spitze weit in ihrem Gehirn. Sie rappelte sich wieder auf, fand ihren Körper erstaunlich lebendig und voller Kraft vor, und bog nach rechts, wo der Schrei herkam.
    Es war die Tür, an der sie zuletzt gelauscht hatte. Hinter der jemand mit feiner, kraftloser Stimme etwas gerufen hatte: „Koooomm“. Dahinter hielt sich das gequälte Wesen auf, das sich gerade die Stimmbänder in Fetzen brüllte. Wie brachte man diese beiden Stimmen unter einen Hut?
    Edeltraud stand unschlüssig vor der Tür, und wieder blitzte es, diesmal gleich zweimal. Der Schwefelgeruch war da, die Blindheit sowieso. Während sie darauf wartete, dass die Finsternis sich lichtete, schrie die arme Kreatur hinter der Tür weiter.
    Hätte sie das Haus verlassen können, hätte sie draußen in den Überresten der Stallungen nach einer Axt gesucht. Mit dem Messer rechnete sie sich kaum Chancen aus, aber es war besser als nichts. Weit holte sie aus und stieß auf Augenhöhe zu. Die Klinge prallte nicht ab, sondern bohrte sich fünf Zentimeter tief ins Holz. Das war doch schon etwas! Rüttelnd zog die Frau das Messer heraus und schlug wieder und wieder damit auf die Tür ein. Hatte sie die ersten Schläge noch stumm verabreicht, begann sie allmählich zu stöhnen, dann zu brüllen. Wann immer die Klinge besonders tief glitt, dauerte es nervenzerfetzend lange, sie wieder herauszuziehen. Zu ihren Füßen wimmelte es von Käfern, und einige davon krochen ihre Beine empor und wimmelten unter ihrem Rock. Es war ungefähr das scheußlichste, was sie je erlebt hatte, aber sie musste es ausblenden. Die Käfer bissen nicht, sie krabbelten nur, und durch ihre zahlreichen Unterröcke würden sie ohnehin nicht so leicht dringen. Nach fünfzehn, zwanzig Messerhieben fiel das erste Stück Holz heraus, nicht viel mehr als ein Splitter. Edeltraud schlug noch weiter zu, bis die Klinge brach und in der Tür stecken blieb. Mit einem Fluch schleuderte sie den nutzlosen Griff von sich.
    Sie hatte ein unregelmäßiges, längliches Loch geschlagen, etwa fünf Zentimeter hoch und an der breitesten Stelle ein bis zwei Zentimeter breit. Ein unangenehmer Geruch drang ihr entgegen. Während sie sich die Käfer von den Beinen pflückte, mit aller Kraft zu Boden pfefferte und auf der Stelle zertrat, blickte sie durch den Schlitz.
    Hinten im Zimmer saß ein Mann

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