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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Bibbernd und frierend schleppte sich die Studentin hinter der Gruppe her, deren Schritte immer schneller zu werden schienen. Die hohe, deklamierende Stimme von Wim Scherz löste sich mehr und mehr im Hall auf, bis sie wie ein ferner Gesang anmutete.
    Nicht sie schien die Gegenstände in den Regalen zu betrachten – diese schienen umgekehrt sie zu mustern. Ein feines Rauschen lag über allem, vielleicht von der Klimaanlage, die nicht heizte, sondern lediglich die Luft trocknete. Aus diesem Rauschen tauchten Muster auf. Kleine Satzfetzen, verstohlenes Wispern. Natürlich musste das eine Täuschung sein. Aber es beunruhigte sie. Und ließ sie noch mehr frösteln.
    „Gibt es hier nur Sachen, die mit Morden in Verbindung stehen?“, hörte sie Traude fragen.
    Scherz’ Antwort war weniger deutlich zu verstehen. Anscheinend wies er darauf hin, dass einige der Hallen ganz andere Dinge beinhalteten: Drogen zum Beispiel, Diebesware, beschlagnahmte Computer und Speichermedien voller Raubkopien oder verbotener Pornographie. Er nannte noch mehr Objekte, aber sie gingen in dem nahezu ambrosischen Halleffekt unter, den die Räumlichkeiten produzierten.
    Die Studentin konnte den anderen kaum mehr folgen. Die Regale flüsterten ihr erschreckende Dinge zu. Es war, als würden die Opfer und die Täter gleichzeitig zu ihr sprechen – ihre Qualen, ihre Angst, ihre Lust und ihr Hass vermischten sich zu einem Brei menschlicher Emotionen.
    „Nein“, stieß Sanjay gedämpft hervor, und für einen Moment verschwanden die Muster, die wie Sprache klangen. Zogen sich zurück in das nichtssagende Rauschen der Air Condition.
    Die Halbinderin blieb stehen. Ein Kälteschauer durchlief sie, schmerzhaft beinahe. In dem Regal vor ihr lag eine Karnevalsmaske, ein Vampir. Der Mund der Maske war in zwei verschiedenen Rottönen verschmiert – ein helles, leuchtendes Tomatenrot, das zur Maske gehörte, und ein dunkles, rostig wirkendes, eingetrocknetes, pulveriges Rotbraun, das erst später darauf geraten sein musste.
    Sie wandte sich ab. Schlang ihre Arme um ihren Oberkörper und ging auf der Stelle, um ihren Körper zu wärmen. Als sie den Gang hinab blickte, waren die Menschen, mit denen sie gekommen war, verschwunden. Ihre Stimmen konnte man noch hören, verwaschen und voller Echos, wie in einer riesigen Kathedrale, aber man konnte nicht sagen, aus welcher Richtung die Laute kamen.
    Sanjay war sicher, dass sie den Anschluss finden würde, wenn sie sich auf die Suche nach der Gruppe machte. Aber sie tat es nicht. Was wollte sie überhaupt hier unten? Die Aktion würde auch ohne sie über die Bühne gehen. Klar – sie hatte selbst einen Blick auf den Kupfertank werfen wollen, doch mittlerweile erwartete sie nichts mehr davon. Das Beste war, zum Fahrstuhl zurückzugehen, nach oben zu fahren, das wärmste Zimmer zu suchen und die Leute, die dort arbeiteten, zu bitten, sich für eine Viertelstunde an die Heizung stellen zu dürfen. Oder sich am besten gleich darauf zu setzen.
    Kurzentschlossen drehte sich die Studentin in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Wozu Vampirzähne, wenn man nicht saugen darf?“, schien die Maske im Regal zu wispern. Sanjay versuchte die Stimme zu ignorieren. Vielleicht bekam sie schon Fieber.
    Sie waren nicht in gerader Linie durch die Halle gekommen. Ihr Weg hatte eher einem Zickzackkurs geglichen. Trotzdem – zurückfinden würde sie.
    Ihre dünnen Schuhe klatschten auf dem Boden, so nass waren sie. Es war eine Dummheit gewesen, sich keine Schuhe zum Wechseln mitzunehmen. Sie zog sie aus, nahm sie in die Hand und lief in den Strümpfen weiter.
    Das Wispern in der Luft wurde lauter. Zunächst passierte sie Regale, die sie kannte. Jetzt, wo sie alleine war, erschienen ihr die Objekte noch bedrohlicher. Zwischen Waffen und Werkzeugen gab es keinen Unterschied. Alles konnte zur Waffe werden, wenn der Mensch, der es hielt, das wollte. „Keine Angst“, schwirrte es knisternd durch den Saal. „Es tut nicht weh.“ Ein Lachen schloss sich an, schrill und durchdringend, ein Mann, der mit einer hysterischen Frauenstimme lachte.
    Irgendjemand erlaubt sich einen Spaß mit dir , pulsierte es in Sanjays Kopf. Wim Scherz (wie kann man nur so heißen!) hat bestimmt ein Büro mit einem Fernseher. Dort läuft gerade ein Krimi oder ein Gruselfilm. Der Ton ist bis hierher zu hören. Vielleicht gibt es eine Verbindung im Belüftungssystem.
    „Bist du alleine?“, fragte ein Mann mit einem südländischen Akzent. „Hast du

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