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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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    |13| KAPITEL 1
    Esumaro drehte sich um, runzelte die Stirn und wandte das von Wind und Wetter gegerbte Gesicht den dunklen, bedrohlich tiefhängenden Wolken zu. Mißmutig zischte er durch die schiefstehenden, schwärzlichen Zähne und suchte festen Halt auf dem schwankenden Deck zu finden, ehe er einen kritischen Blick in die Runde wagte. Auf dem Meer rund um das behäbig breite Schiff lag der Widerschein düsterer Wolken. Die Oberfläche des Wassers war unruhig; kurze, kabbelige Wellen mit weißen Schaumkrönchen tanzten auf ihr. Soweit sich zwischen den dichten Regenschauern überhaupt etwas ausmachen ließ, wurde die See wütend und belebte sich gefährlich.
    Sorgenvoll schaute Esumaro hoch zu den geblähten Segeln. Der Wind aus Nordwest nahm rasch zu, sogar der Großmast ächzte unter diesem Ansturm.
    Neben der Ruderpinne stand Coros, sein Steuermann. Dem war nicht wohl zumute, und bang blickte er zum Kapitän.
    »Da vorn liegt Inis Mhic Aoibhleáin«, rief er laut, um sich im Heulen des Windes und inmitten der tosenden Brecher verständlich zu machen. Mit ausgestreckter Hand wies er auf die verschwommenen Umrisse einer leicht backbord liegenden Insel, die im Regen fast verschwanden. »Der Wind drückt uns ostwärts, Käpten. Bei dem Seegang schaffen wir es nicht, |14| die Insel luvwärts zu umsegeln. Und wenn wir uns backbord halten, treibt es uns an die Klippen.«
    Esumaro antwortete nicht sofort. Schon hatte das gedrungene, aus starken Planken gezimmerte Schiff sein Fahrverhalten geändert. Das Deck bäumte sich auf, als wäre es ein Pferd, das sich noch nicht an seinen Reiter gewöhnt hat. Die »Su merli « war ein tüchtiges, hochbordiges Kauffahrteischiff aus Gallien, das schwerer See und heftigen Stürmen trotzen konnte. Sie ähnelte den Kampfbooten, mit denen sich die Veneter Aremoricas den Legionen Julius Caesars widersetzt hatten. In ihrer Bauart glich sie jenen robusten, schweren Eichenholzschiffen, die den leichteren römischen Kriegsgaleeren Tod und Verderben brachten.
    Esumaro hatte sein Leben auf solchen Schiffen zugebracht. Seit zwanzig Jahren war er mit dieser Küste und ihren Gefahren vertraut, mit ihren Buchten, Landzungen und Riffen. Ihm war längst bewußt, daß sie um diese Inseln, von denen Inis Mhic Aoibhleáin die südlichste war, nicht herumkommen würden. Der Kapitän aus Gallien kannte jede Querspante und Verbindungsnut der »Sumerli«, ihre Eisenbolzen und Ketten und schweren Segel. Er spürte geradezu körperlich jedes Knarren und Ächzen, mit dem ihr Spantenwerk gegen die Wucht der Wogen aufbegehrte. Dieser Sturm, der ohne jede Vorwarnung innerhalb weniger Minuten von dem sich verdüsternden Atlantik herangebraust war, konnte sie an einer der vielen kleinen Felseninseln zu Kleinholz zerschlagen. Und mit denen war gerade dieser Küstenstrich des Königreichs Muman übersät. Die ihnen von daher drohende Gefahr war nicht zu übersehen, und er hatte sich entschlossen, den Kurs zu ändern. Coros’ Ratschläge brauchte er dazu nicht, sah aber ein, daß sein Steuermann nur seine Pflicht tat.
    »Wir wenden und laufen vor dem Wind«, schrie er zurück. |15| »Wir halten uns südwärts von den Inseln und suchen Schutz in der Bucht.«
    »Dann geraten wir in teuflische Gewässer, das ist die Daingean-Bai«, rief Coros.
    »Weiß ich selber«, schrie Esumaro gereizt. »Ich kenn mich hier aus. Hoch bis zur Abtei Colmán werden wir die ›Su merli ‹ steuern. Ich habe da schon öfter Handel getrieben. Dort können wir unsere Ladung Wein und Silber gegen Wolle, Pökelfleisch und Otterfelle tauschen.«
    Der Steuermann schaute verwundert drein.
    »Aber erwartet nicht Mugrón von An Bhearbha unsere Fracht?« Gewissenhaft war Coros wie kein zweiter. »Wir können doch hier gleich eine geschützte Bucht finden und den Sturm abreiten.«
    Esumaro grinste trotz des peitschenden Regens.
    »Bis der aufhört zu blasen, verlieren wir Tage. Und wir würden mit dem Teufel Geschäfte machen, wenn wir versuchten, die Inseln zu umgehen; wir müßten im Land der Uí Fidgente auf ruhige See warten.« Mit Nachdruck schüttelte er den Kopf. »Glaub mir, ich kenn mich in diesen Gewässern aus. Der gute Kaufmann Mugrón kann schon mal eine ausbleibende Lieferung verschmerzen, und mit der Abtei Colmán lohnt sich’s durchaus zu handeln. Schwenk nach Steuerbord, Coros. Wir laufen vor dem Sturm in die Bucht.«
    Coros reagierte ohne langes Bedenken.
    »Jawohl, Käpten, Steuerbord liegt an«, brüllte er in den

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