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Falkengrund Nr. 32

Falkengrund Nr. 32

Titel: Falkengrund Nr. 32 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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eingeladen?“, fragte MacNorras.
    „Nein, wo denkst du hin? Aber das gilt für die Hälfte der Gäste.“ Er sah Mama an. „Dich zum Beispiel habe ich auch nicht eingeladen.“
    „Ich bin“, sie wollte irgendetwas Witziges antworten, aber ihr fiel nichts ein, und es bestand auch keine Notwendigkeit mehr, denn Dunstey war bereits mit einem Winken weitergegangen und befragte die nächsten Gäste, ob sie die Rotgekleidete kannten. Der Designer hielt auf den Balkon zu, wo Roy und seine Schöne noch immer Zärtlichkeiten austauschten (jetzt, wo Mama und MacNorras nicht mehr in der Nähe waren, taten sie es allerdings weniger demonstrativ).
    Die Dame in Rot drückte sich an Mama und MacNorras vorbei, und die Siebzehnjährige schauderte. Sie hätte nicht sagen können, was sie so erschreckte. Vielleicht war es der entschlossene, beinahe mordlüsterne Ausdruck auf ihrem mit rotem Lidschatten verunstalteten, von tiefen kleinen Falten durchzogenen Gesicht, vielleicht die Vehemenz, mit der sie die Gäste beiseiteschob.
    Vielleicht war das Unangenehmste und Befremdlichste aber die Tatsache, dass sie im Vorübergehen MacNorras entdeckte und einen Moment zu zögern schien.
    Als überlege sie, ob sie sich statt Dunstey nicht lieber ihn vornehmen sollte.
    Doch dann war sie vorüber, eilte hinter Dunstey her, der jetzt den Balkon erreicht hatte und von Roy und seiner Eroberung begrüßt wurde.
    In Mamas Kehle formte sich ein Schrei. Ein Warnruf, an den Gastgeber gerichtet. Nicht in die Nähe der Brüstung gehen , wollte sie sagen. Diese Verrückte wird Sie hinunterstoßen! Doch ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie bekam mit, dass keiner der anderen Gäste der Szene seine Aufmerksamkeit schenkte. Alle waren sie mit sich und ihren Gesprächspartnern beschäftigt, prahlten, lachten, flirteten. Eine Ausnahme bildete natürlich MacNorras.
    „Dieses Weib ist unheimlich“, schnaufte er unter seinem Schnurrbart hervor.
    Dunstey stand jetzt an der Balustrade, und seine Augen weiteten sich, als er erkannte, wie zielstrebig die Frau auf ihn zuhielt. Zwei Schritte vor ihm blieb sie jäh stehen, zischte ihm etwas entgegen, was Mama nicht verstand, und drehte sich dann auf dem Absatz herum wie eine Tänzerin.
    Nun wandte sie sich der Halle zu. Sie breitete die Arme aus, hob ihren gewaltigen Fächer in die Höhe … und tat etwas Groteskes.
    Mit aller Kraft presste sie die Schenkel unter ihrem weiten Rock zusammen. Und als sie das tat, spritzte eine blutrote Flüssigkeit in feinen, aber kräftigen Strahlen aus den Enden des Fächerskeletts. In hohem Bogen schossen die Strahlen wie aus einem Dutzend Wasserpistolen über die Gäste hinweg weit in den Saal hinein. Dann senkte sie den Fächer, und die weiter vorne stehenden wurden ebenfalls bespritzt.
    Nach Ablauf von ein, zwei Schrecksekunden brach eine Panik aus. Die Gäste liefen durcheinander, einige von ihnen strömten den Ausgängen entgegen, doch die meisten wichen nur in den hinteren Teil des Saals zurück. Nun presste die Rotgekleidete stöhnend die Oberarme gegen ihren Körper, und ein neuer, kraftvoller Schwall Rot ergoss sich über die Menge. Offenbar hatte sie überall am Körper Schläuche mit dieser roten Flüssigkeit angebracht, die sie durch Zusammendrücken entleeren konnte. Es sah albern aus, wie aus dem Making-Of eines billigen Fantasy-Films. Aber niemand lachte.
    Und MacNorras, dessen Jackett ebenfalls etwas abbekommen hatte und der mit Mama zusammen zurückwich, gurgelte: „Dieser Geruch! Das ist Farbe auf Ölbasis – die Kleider, die damit in Berührung kommen, sind hinüber.“
    Die Frau machte ein paar Schritte auf die Menge zu, und wie durch Zauberei bildete sich eine Gasse. Anstatt, dass jemand sie aufhielt, flohen alle vor ihr. Selbst die, deren Kleidung schon von oben bis unten mit der Farbe besudelt war, suchten nach Schutz. Immer wieder schoss ein Schwall Rot, einem blutigen Regen gleich, aus dem Fächer hervor, zeichnete die Menschen. Als sie an Mama vorbeikam, erkannte diese die winzigen Schläuche, die aus dem Fächer bis unter ihr Kleid führten.
    Die Frau begann schneller zu gehen. Auf der anderen Seite der Halle lag symmetrisch ein weiterer Balkon. Darauf hielt sie zu.
    „Warum hält sie denn niemand fest?“, protestierte eine hysterische Frauenstimme blubbernd unter einer dicken Schicht roter Farbe hervor, die sie mitten ins Gesicht getroffen hatte. Endlich begannen ein paar junge Männer zu rennen, doch die Rotgekleidete hatte den Balkon bereits erreicht,

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