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Falkengrund Nr. 32

Falkengrund Nr. 32

Titel: Falkengrund Nr. 32 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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schlenkerte ihren leergepumpten Fächer noch einmal und feuerte damit eine letzte Salve dicker Tropfen hinter sich.
    Dann sprang sie über die Brüstung.
    Die Halle, in der die Party stattfand, lag im ersten Stock. Unter dem Balkon breitete sich ein Rasen aus, der in rund fünfzig Metern Entfernung von einer Reihe edler Nadelbäume gesäumt wurde.
    „Dunstey beschäftigt zwei Wachleute“, sagte MacNorras. „Die werden die Irre kriegen.“
    Mama lief los, und sie war nicht die einzige. Jetzt, wo die Frau geflohen war, wollten auf einmal viele zum Balkon. Trotzdem erwischte sie einen guten Platz in der Mitte der zehn Meter breiten Balustrade. Die Massen drängten sich hinter ihr und drückten sie gegen den Stein, doch das spürte sie kaum. Fasziniert kniff sie die Augen zusammen, denn dort unten in der Dunkelheit lief die Wahnsinnige. Ein halbes Dutzend Männer sprangen ebenfalls vom Balkon und jagten hinter ihr her. Die ersten hatten sie beinahe erreicht, da geschah etwas Unglaubliches.
    In der Finsternis waren ihr all diese Menschen gar nicht aufgefallen, aber jetzt sah sie, dass einige Schritte vor den Bäumen eine geschlossene Reihe von Leuten stand. Sie trugen dunkelgrüne Kleider, altmodisch, wie es sie im Mittelalter gegeben haben mochte, und es schien, als wären sie alle von kleinem Wuchs.
    Auch die beherzten Verfolger schienen sie erst in diesem Moment entdeckt zu haben, denn sie schrien erschrocken auf. Bis auf einen blieben sie stehen. Mama erkannte in dem, der nicht stehen blieb, den Russen in dem weißen Anzug. Die Reihe der Grünen öffnete sich an der Stelle, auf die er laut schimpfend zu rannte, und er lief geradewegs in die Lücke hinein, als würde er sie nicht wahrnehmen können.
    Die Reihe schloss sich wieder, und von dem Russen war nichts mehr zu erkennen. Auch seine Stimme war versiegt.
    Die anderen wichen zurück. Die rote Frau lief zwei, drei Mal vor der Reihe der Grünen hin und her, wie ein General vor seiner Armee, und verschwand dann ebenfalls in einer Lücke. Die Dunkelheit schien nun undurchdringlicher zu werden, obwohl vom Haus her jemand mit einem Scheinwerfer in den Garten leuchtete. Die grüne Kleidung der fremden Menschen verschmolz unaufhaltsam mit der Dunkelheit. Als nichts mehr von ihnen zu sehen war, wurde der Mann in weißem Anzug erkennbar, der am Fuße der Bäume lag und laut kreischend um sich schlug, als müsse er einen Schwarm Wespen verscheuchen.
    Langsam näherte man sich dem Russen, beruhigte ihn und half ihm auf. Wie ein Häufchen Elend ließ er sich zu der Villa zurückbringen, und als man mit ihm zu reden versuchte, sprach er nur Russisch, und dieses mit zitternder Stimme und in abgehackten Brocken. Auf seiner Stirn perlte kalter Schweiß, seine Pupillen waren erweitert, und er war damit beschäftigt, wie von Sinnen die Grasflecken von seinem Anzug abzuwischen.
    Im Saal herrschte das Chaos. Überall waren Frauen weinend zusammengebrochen und schlossen voller Ekel die Augen, um nicht sehen zu müssen, was die verspritzte Farbe mit ihren Kleidern angestellt hatte. Auf dem Parkettboden hatte sich eine schmierige rote Schicht gebildet, und auch die Gemälde an den Wänden hatten etwas abbekommen.
    F. Dunstey hatte sich auf die Suche nach seinen Wachleuten gemacht. Minuten später kehrte er zurück und berichtete, sie säßen wie betrunken vor dem Haupteingang und sängen merkwürdige Lieder, die er nie gehört hatte. Dabei röchen sie nicht einmal nach Alkohol.
    „Hu-hundert Leute können diese Frau beschreiben“, keuchte er hilflos. „Das wird ein … ein Na-Nachspiel haben.“ Er war den Tränen nahe, obwohl er als einer der wenigen nichts von der roten Farbe abbekommen hatte, da die Verrückte mit dem Rücken zu ihm gestanden hatte. Lediglich an seinen Schuhen haftete mittlerweile etwas davon. Und an seinen Händen, mit denen er die verschmierte Tür nach draußen geöffnet hatte.
    Die Gäste sahen aus wie ein Haufen von blutbespritzten Mördern. Unter ihnen waren neben Leuten aus dem Modegeschäft auch Journalisten und Prominenz aus Film und Fernsehen. Ein blondes Popsternchen lehnte kalkweiß an einer der Wände und atmete tief aus und ein, um sich zu beruhigen. Die Reporter brauchten erstaunlich lange, um ihre Fotoapparate auszupacken. Ein zögerndes Blitzlichtgewitter erwachte und machte die Sache nur noch schlimmer. Eine Frau mittleren Alters fand man ohnmächtig in einer Ecke des Saals, das Gesicht nach unten, der Atem aus ihrer gegen das Parkett gepressten

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