Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 3 Fluch der Liebe
Inhalt anzusehen, doch er konnte nicht anders, als einen Blick hineinzuwerfen.
Weitere Wurzeln. Ein kleines, fleckiges Buch mit dem Titel „Philtres – Liebestränke“. Eine Art Teedose mit dem zerkratzten Bild einer schwarzen Katze darauf. Und einige Päckchen mit Kräutern, beschriftet und unbeschriftet.
7
Isabels Geburtstagsparty begann am Donnerstag gegen 16.30 Uhr, nach dem Ende des Unterrichts.
Die meisten Bewohner von Schloss Falkengrund hatten sich in der großen Halle im Erdgeschoss eingefunden. Einige halfen bei den Vorbereitungen, andere saßen bereits an den Tischen und unterhielten sich. Die Gratulationen fielen mehr oder weniger herzlich aus – Isabel hatte nicht nur Freunde im Schloss; mehr als eine Handvoll der Schüler konnten mit ihrer Lebensweise wenig anfangen, hielten sie für morbide. Ihre Art, sich selbst darzustellen, erschien ihnen gekünstelt und unecht.
Doch auch die eher zurückhaltenden unter den Geburtstagsgästen jubelten, als Ekaterini zusammen mit einem Helfer die Geburtstagstorte die Treppe herabschleppte.
Ein prachtvolles, dreistöckiges Bauwerk war es: die unterste, größte Ebene ein gerührter Kuchen mit Kirschen, darüber zwei kleinere Sahne- und Cremetorten. Was die Blicke aller fesselte, waren die unzählbaren winzigen Marzipanstäbchen, die in jeder der drei Ebenen steckten. Keines davon brannte, und doch war auf den ersten Blick zu erkennen, dass sie Kerzen darstellen sollten.
Isabel war sichtlich gerührt von dieser Idee.
„Unsterbliche haben ein Kerzenproblem“, sagte Ekaterini lächelnd. „Irgendwann lassen sich ihre Geburtstagstorten nicht mehr mit den Brandschutzbestimmungen alter Gebäude vereinbaren.“
„Ich bin nicht unsterblich“, hauchte das Geburtstagskind ergriffen.
„Aber gut erhalten für 150 Jahre“, grinste die Köchin.
Sanjay Munda flüsterte ihrer Nebensitzerin zu: „Isabel hat einen Stich, wenn du mich fragst. Wenn mir jemand sagen würde, ich sei 150 Jahre alt, würde ich ihn zerlegen.“
„Zerlegen wir lieber die Torte“, warf Harald ein, der das Gespräch belauscht hatte, „ehe unser Nimmersatt Michael uns zuvorkommt.“ Er entfernte sich selten weiter von Sanjay als unbedingt nötig.
„Verschwinde, Rückengrabscher!“, zischte die Halbinderin. Obwohl Harald ihr versprochen hatte, ihre zerrissene Bluse zu ersetzen, war sie noch immer nicht besonders gut auf ihn zu sprechen.
Natürlich durfte Isabel die Torte anschneiden. Und natürlich war Michael Löwe der erste, der bedient wurde. Der Knochige mit dem gespenstischen Hunger hatte einen Blick, als würde er alle verspeisen wollen, die sich zwischen ihn und die Torte drängten.
Das Risiko wollte niemand eingehen.
Alle waren eingeladen worden, auch Artur, der Neue. Und beinahe alle waren auch gekommen. Es fehlten nur Madoka, die auf ärztliche Anweisung hin ihr Zimmer nicht verließ, sowie Jaqueline Beck, die Streberin. Jemand hatte sie – wie so oft – in der Bibliothek gesichtet, und vermutlich hatte sie sich nicht von ihren ungeheuer wichtigen Nachforschungen lösen können.
Madoka und Jaqueline – zwei Frauen, die Prioritäten setzten. Für die es wichtigere Dinge im Leben gab als ein Teil der Gemeinschaft zu sein ...
Auch der Rektor und die beiden im Schloss wohnenden Dozenten waren anwesend. Ja, sogar Sir Darren hatte sich die Ehre gegeben! Er stand etwas abseits in der Nähe des offenen Kamins. Darren Edgar war ein großer, schlanker Mann Anfang der Fünfzig, der aber älter aussah. Sein Gesicht war schmal und kantig, seine Augen klein, seine Nase lang, seine Lippen farblos. Er trug einen seiner hellen Tweed-Anzüge, hatte die dünnen Arme vor der Brust verschränkt und verfolgte das Treiben der jungen Leute wie ein unbeteiligter Beobachter.
Irgendwann fiel er Isabel auf, und sie brachte ihm ein Stück Torte.
„Torte, Sir?“, sagte sie und versuchte eine Art Knicks.
„Hat die Zahl Elf in diesem Fall eine verborgene magische Bedeutung, die mir nicht geläufig ist?“, fragte der Brite.
Isabel verstand nicht, worauf er hinauswollte. „Sir?“
Sir Darren ließ die Augenlider etwas sinken und legte den Kopf leicht schräg. Er war verstimmt, keine Frage. Und es würde ihm ein erlesenes Vergnügen sein, ihr zu erklären, weshalb. „Nun, wenn der Vize-Rektor, der nach der natürlichen Reihenfolge immerhin der zweite sein sollte, dem ein Snack gereicht wird, erst an elfter Stelle mit einem Stück Torte bedacht wird – wohlbemerkt, ohne dass ihm zuvor ein
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