Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 5 Nummer Dreizehn
flogen über sie hinweg, lautlos und hochgefährlich. Sie bohrten sich in die gegenüberliegenden Wände, in die Schreibtische und Stühle oder prallten klackend von den Monitoren der Computer ab. Zwei, drei der Nadeln kamen auf die bäuchlings daliegende Studentin herab, bohrten sich in den Stoff ihrer Jeans.
Gott, das war doch unmöglich! Sie zitterte am ganzen Leib, zupfte sich wimmernd die Nadeln von den Beinen. Ruckartig hob sie den Kopf, beobachtete das Zimmer. Im ersten Moment schien es, als sei der Spuk bereits vorüber. Dann bildete sich an der Decke eine dunkle Schrift.
Jaqueline hielt den Atem an.
EISHEIBEFISTDAEGT.
„Ein... Einschreibefrist drängt“, brachte sie stockend hervor. „Mein Gott! Mein Gott!“
Sie warf sich wieder flach auf den Boden. Die Nadeln begannen sich aus dem Material zu lösen, in das sie eingeschlagen waren, und schossen erneut wie von Gewehren abgeschossen durch den Raum. Diesmal trafen viele den Fußboden, schlugen ganz in ihrer Nähe ein, und ein Dutzend der spitzen Geschosse bohrten sich in den Körper der Studentin.
Sie bäumte sich auf und schrie ihre Pein hinaus. Schmerzerfüllt krümmte sie sich zusammen, um ein möglichst kleines Ziel für die nächste Attacke abzugeben. Sie wagte es nicht mehr, die Pins, die in ihrem Körper steckten, aus ihrem Fleisch zu ziehen, vor Angst, neue Geschosse könnten ihre ungeschützten Arme treffen. Stattdessen verbarg sie ihre Hände in ihrem Schoß, wandte der Gefahr den Rücken zu.
Warum stand sie nicht auf? Warum raffte sie nicht ihre Kraft zusammen und floh? Der Ausgang war keine zwei Meter von ihr entfernt!
Die Antwort war einfach: Sie hatte nicht den Mut dazu. Die Vorstellung, aufrecht durch diesen Blizzard aus Nadeln zu stolpern, lähmte sie vollkommen.
Da flog auch schon die Tür auf.
Sir Darren kam als Erster in den Raum und wurde sofort von einer der Nadeln in den Schenkel getroffen. Die Angriffe kamen jetzt unregelmäßiger, jede einzelne der Pins schien ihren eigenen Kopf zu haben, ihren eigenen Rhythmus. Atempausen blieben keine mehr.
Hinter dem hageren Briten huschte die etwas mollige Frau hervor, warf sich neben Jaqueline zu Boden und zerrte die Studentin hoch.
„Raus hier!“, herrschte die Dozentin sie an. „Sofort raus hier! Wir schließen die Tür hinter dir!“
Jaqueline kam auf die Knie, begann zu krabbeln. Margarete zerrte ungeduldig an ihrem T-Shirt. Sir Darren stieß einen englischen Fluch aus. Er hatte versucht, einige der Nadeln in der Luft abzuwehren wie blutdürstige Moskitos, und nun steckten ein halbes Dutzend Pins in seinen Handflächen.
„Raus! Auch Sie, Sir Darren!“
„Haben Sie keinen Zauberspruch für so was?“
„Jetzt nicht“, presste Margarete hervor. „Keine Zeit.“
Im nächsten Moment waren sie alle drei draußen, und Sir Darren, der Letzte, hatte die Tür hinter sich zugeworfen und lehnte sich nun schwer atmend von außen dagegen. Eine halbe Minute lang war noch das Einschlagen der Nadeln in die Innenseite der Tür zu hören, dann verstummten die Geräusche.
„Wir gehen jetzt trotzdem nicht wieder rein“, bestimmte Margarete. Die Dreiergruppe Studenten, die auf dem Weg in den Keller gewesen war, musste den Lärm gehört haben, denn die jungen Leute hatten kehrtgemacht und kamen nun auf sie zu.
„Jaqueline!“, rief Isabel. „Wo warst du?“
Jaqueline weinte. Weinte nicht nur vor Schmerzen.
„Ich wollte das Programm stoppen“, wimmerte sie. „Stoppen. Aber da war ... keine Zeit mehr ... Es ist meine Schuld ... alles ...“
8
Sie waren wieder im großen Seminarraum. Alle Studenten hatten sich erneut dort versammelt, als sie gehört hatten, dass die Gesuchte gefunden war. Es dauerte allerdings eine halbe Stunde, ehe Margarete, Jaqueline und Sir Darren zu den anderen stießen. Vorher galt es, ihre Verletzungen zu versorgen und Gespräche zu führen. Glücklicherweise war bei allen dreien der Impfschutz gegen Wundstarrkrampf noch vorhanden, so dass sie keine Komplikationen wegen der Einstiche der teilweise rostigen Pins zu befürchten hatten.
In der Zwischenzeit unterhielt man sich im Seminarraum angeregt über die Frage, was Jaqueline alleine bei den Computern gesucht hatte – und über die beinahe noch wichtigere Frage, wie viele der Nadeln Sir Darren in seinen Allerwertesten bekommen hatte ...
Es war kurz nach siebzehn Uhr, als die drei eintrafen.
Jaqueline wirkte so niedergeschlagen, wie sie keiner ihrer Kommilitonen je erlebt hatte. Antriebslos ließ sie
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