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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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schaffen. Lieber wollten sie ihr Leben hinter Gittern verbringen als es noch einmal sehen zu müssen.

7
    Melanie betete. Betete, dass ihr Schutzengel ihr beistand. Betete, dass Artur – oder dieser Fremde, in den sich Artur verwandelt hatte – nicht die Kraft haben würde, ihre Kehle zuzudrücken und die Luft dieser Welt von ihr abzuschneiden, bis ihr Körper ein abgeschlossenes, zum Tode verurteiltes System war.
    Doch an Kraft mangelte es Artur nicht. Er hatte die Energie, ihren Kehlkopf zu zerdrücken, und er schickte sich an, es zu tun.
    Sein Problem war etwas anderes. Im fehlte die Konzentration. Immer wieder sprang sein Blick auf den kupfernen Tank, als wolle er sich Anleitungen von dort holen. Oder zumindest Inspiration.
    Auf der spiegelnden Oberfläche spielten sich Szenen ab, die aussahen, als wären die Höhlenmalereien der Steinzeitmenschen zu einem öligen, schlierigen, glänzenden Leben erwacht. Melanie wandte sich ab, wollte es nicht sehen. Sie versuchte, ein Gefühl dafür zu bekommen, wann der Mann, der sie töten wollte, abgelenkt war.
    Sie griff nach einem dieser Momente, bekam ihre linke Hand frei und schlug ihm damit gegen die Stirn, dass sie glaubte, ihr Handgelenk müsse in tausend Splitter zerbersten. Artur stöhnte auf, lockerte seinen Griff. Sie rollte sich zur Seite und war für einen Moment frei.
    Keuchend kam sie auf die Knie, krabbelte einen Meter in Richtung Tür, riss sie auf. Da hatte Artur schon wieder ihren Fuß erwischt.
    In ihrer Enttäuschung und ihrem Grauen stieß sie einen langgezogenen, klagenden Schrei aus. Es tat auf merkwürdige Weise gut, sich schreien zu hören. Es tat auch gut, durch die geöffnete Tür einen rechteckigen Ausschnitt des Waldes zu sehen. Vielleicht würde der veränderte Artur sich in den Menschen zurückverwandeln, der er gewesen war, sobald sie ihn zwang, sich von dem Tank zu entfernen.
    Es war ihre letzte Hoffnung, und sie krallte ihre Hände in die Erde und zerrte ihren Körper vorwärts ... Zentimeter für Zentimeter ...
    Eine Stimme: „Was geschieht da?“
    Es war nicht Arturs Stimme. Sie gehörte dem Mann, dessen Beine nun in ihr Blickfeld kamen. Sie hob den Kopf und erkannte zwei Männer in Polizeiuniformen. Der eine der beiden war schon älter, und einige Meter hinter ihm schien ein Kind zögernd näher zu kommen. Die beiden Beamten waren nicht identisch mit jenen, die sie auf dem Parkplatz getroffen hatten.
    „Hilfe!“, presste Melanie hervor. Erde gelangte in ihren Mund, als Artur noch einmal kräftig an ihrem Fuß zog und ihr Kopf durch den Ruck gegen den Boden schlug.
    Dann hatte der erste Beamte seine Dienstwaffe auf die Türöffnung der Hütte gerichtet und brüllte: „Lassen Sie los und kommen Sie mit erhobenen Armen heraus, oder ich schieße! Haben Sie mich verstanden, Mann?“
    Die Erleichterung in ihr währte keine Sekunde. Sie begriff, dass die Situation noch immer ernst war.
    Möglicherweise war sie gerettet, ja, aber Artur – er war nicht er selbst. Wenn er nicht augenblicklich zu sich kam, würde der Polizist auf ihn schießen. Vielleicht würde er ihn nur verletzen, aber vielleicht ...
    Arturs Hand löste sich von ihrem Fußgelenk. „Nicht schießen!“, rief sie. „Nicht schießen – er ist nicht bei Sinnen – er ...“
    Auch der zweite, ältere Beamte hatte nun die Hütte erreicht, und gemeinsam richteten sie ihre Waffen auf den bäuchlings dort liegenden Artur. Melanie rappelte sich auf. Gott sei Dank, dachte sie, Gott sei Dank, er setzt sich nicht zur Wehr!
    Ein zweites Mal spürte sie Erleichterung in sich aufsteigen, und diesmal war das Gefühl besser, tiefer, vollständiger. Artur würde schon wieder zu sich kommen, wenn die Beamten ihn von diesem Ort wegbrachten – es würde viele schwierige Gespräche geben, aber am Ende würde sich alles aufklären, und ...
    Ein zweites Mal wurde ihre Erleichterung ihr genommen.
    Und diesmal war es noch grausamer.
    Das Kind.
    Als sie es undeutlich in der Entfernung gesehen hatte, hatte sie geglaubt, das gesuchte Mädchen sei endlich gefunden worden. Vielleicht hatte es sich in den Wäldern versteckt ... oder verirrt, und als die Polizisten es aufgespürt hatten und sich auf den Weg zurück zum Streifenwagen machten, waren sie zufällig in der Nähe der Hütte vorbeigekommen und hatten Melanies Schreie gehört.
    Oder nicht ganz zufällig.
    Schutzengel bei der Arbeit. Das Mädchen hatte einen gehabt, und sie selbst. Nur Artur hatte seinen verloren, aber es war noch einmal

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