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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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sie nicht zu befürchten, beim Beladen des Wagens von jemandem gesehen zu werden.
    Die beiden Männer schwitzten, als sie den Kupfertank verluden. Zum Glück wog der Tote nicht viel, sonst hätten sie womöglich einen weiteren Mitwisser gebraucht.
    Die Beleuchtung weckte wirre Spiegelungen in der Kesseloberfläche. Formlose Dämonen schienen über die metallische rote Krümmung zu huschen, ruhelos, hektisch, sich jeden Moment vervielfältigend. Der Geruch des Kupfers erinnerte mehr und mehr an Blut – kein Wunder, die beiden Gerüche ähnelten sich von jeher, und selbst der kaltblütige Mörder Charlie Colm zitterte jetzt vor Aufregung und Anstrengung am ganzen Leib.
    Alles lief nach Plan. Der Kessel wurde im Inneren des Lieferwagens fixiert, und die beiden Männer begannen ihre schaurige Fahrt. Es war längst dunkel, als sie die Fabrikhalle verließen. Erst an der Straße schalteten sie die Scheinwerfer ein. Ihre Fahrt dauerte mehr als eine Stunde und führte sie an einen abgelegenen Ort im Schwarzwald, zehn Kilometer von Freudenstadt entfernt.
    Sie fuhren mit dem Wagen, so weit es ging, in den Wald hinein, schleppten dann den Kessel noch beinahe fünfhundert Meter durch dichtes Unterholz und setzten ihn ab. Im Licht ihrer Taschenlampen versuchten sie die Schrauben zu öffnen, um den Toten auszukippen wie ein Stück Abfall.
    Doch an dieser Stelle hörte Charlies Plan auf zu funktionieren.
    Zum einen ließen sich die Schrauben nicht mehr lösen. Charlie herrschte Heiner an, weil er zu fest zugezogen hatte, doch das änderte die Situation nicht. Alle Bemühungen waren nutzlos, und irgendwann waren die beiden Männer so mit den Nerven fertig, dass sie sich kaum mehr erinnern konnten, in welcher Richtung sich Schrauben öffnen ließen.
    Das zweite Problem war ungreifbarer, aber womöglich noch schlimmer.
    Der Schein ihrer beiden Taschenlampen machte aus dem Kessel die Bühne eines morbiden Theaterstücks.
    Nicht nur zuckten bizarre Gestalten über den Tank, die nichts mehr mit den Männern und ihren Bewegungen zu tun zu haben schienen. Auch wirkte die kupferne Oberfläche jetzt heller, leuchtender als zuvor. Frisch poliert erschien sie, und mehr noch – es war, als leuchte sie von innen heraus in einem eigenen Licht, das heller war als das ihrer Taschenlampen!
    Und noch etwas geschah. Und das gab den Ausschlag dafür, den Plan zu ändern.
    Aus dem goldroten Meer des polierten Kupfers formte sich allmählich eine Gestalt. Sie schimmerte unter den huschenden Reflexen hervor, und es war, als werde das Material zur Hälfte transparent.
    Hans Colm war zu sehen. Seine Leiche, hockend wie die Leichen, die manche Naturvölker in Krügen beisetzten. Sein Körper, durch den Transport, das Auf- und Entladen immer wieder gebadet im eigenen Blut, zeichnete sich auf dem Metall ab, roter als das Kupfer.
    Roter als alles, was die beiden je gesehen hatten.
    „Verschwinden wir“, gurgelte Heiner.
    Charlie packte seinen Oberarm. „Wir können das hier nicht einfach so liegen lassen.“
    „Warum denn nicht? Die Leiche hätten wir doch auch hier liegen lassen!“
    „Eine Leiche leuchtet nicht. Aber dieser Tank – den sieht man kilometerweit, verdammt!“
    „Ich will hier weg“, gestand Heiner kleinlaut.
    „Ich auch. Aber zuerst ...“ Er schwenkte seine Taschenlampe, und plötzlich erschien ihm Lichtkegel etwas Dunkles. „Da ist eine Hütte, glaube ich. Wir haben Glück!“
    „Glück?“, stieß Heiner hervor. „Das nennst du Glück? Wenn ihn jemand in dem Kessel findet, wird jeder wissen, wer es getan hat.“
    „Niemand wird auf die Idee kommen, ihn zu öffnen“, hielt Charlie dagegen. „Er wird einfach nur ein Stück Müll sein. Nur ein Stück Müll. Und du hast selbst gesehen, dass die Schrauben nicht aufzukriegen sind.“
    Schweigend, zitternd, schweißgebadet trugen sie den Tank zur Hütte, bugsierten ihn mit Mühe durch die schmale Tür und legten ihn auf die verfaulten Möbelstücke. Es sah nicht so aus, als wäre in den letzten Jahren jemand hier gewesen.
    Die Rückfahrt war schrecklich, und keiner von ihnen tat in den folgenden Nächten ein Auge zu. Sie wussten beide, dass es vernünftiger gewesen wäre, den Kessel wieder in den Wagen zu laden und ein besseres Versteck zu suchen. Hier würde ihn früher oder später jemand finden.
    Aber sie konnten die Schrecken nicht vergessen, die sich auf der Oberfläche des Tanks abgespielt hatten. Um nichts in der Welt wollten sie dieses Ding wieder zu sich in den Wagen

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