Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer
Art...!“
Während das zerrissene Opfer auf dem Kupfertank wie durch Zauberei wieder zu einer Einheit zusammengefügt wurde, versuchte die echte Melanie, den jungen Mann von sich zu stoßen. Doch die Hand, die ihren Fußknöchel umgriff, war hart und unnachgiebig wie eine Metallklammer.
Arturs Gesicht war gerötet und glich immer mehr jenem auf dem Kessel. Dicke Adern erhoben sich wie Schlieren auf seiner Stirn, und eine schimmernde Schweißschicht überzog sein Gesicht. Er griff wieder und wieder nach und zog das Mädchen näher an sich; wie eine Maschine war er, in der sich ein menschlicher Fuß verfangen hatte. Das Fleisch ihrer Beine war warm, sie schwitzte ebenso wie er, und er musste seine Fingernägel in ihre Haut drücken, damit sie ihm nicht entglitt. Auf ihren weißen Schenkeln zeichneten sich rote Spuren ab.
„Du bist eine riskante Fahrerin“, brachte er hervor, und seine Worte waren kaum mehr verständlich. „Hättest mich umbringen können. Und jetzt hier. Gefahr. Du bringst mich in Gefahr.“
„Artur, du bringst mich in Gefahr!“, brüllte sie aus voller Kehle. Sie versuchte, irgendetwas zu übertönen, was in ihm war. Dieser Kessel – was hatte er mit ihm angestellt? Sie wusste, dass dieser Ort Menschen veränderte, doch bisher hatte sie diese kurzfristige Veränderung als etwas Angenehmes erfahren. Es war schön gewesen – auch ihrer Freundin und ihrer kleinen Halbschwester hatte es gefallen.
„Nein!“, röchelte sie, als sie Arturs schweißnasse Finger an ihrer Kehle spürte. Als er merkte, dass er keinen Grip hatte, wischte er seine Handflächen grob und rücksichtslos an ihrer Bluse ab.
Dann, als seine Hände trocken waren, drückte er erneut zu.
6
„Ich muss mit dir reden, Hans.“
Charlie Colm stand plötzlich in Hans’ Büro, ohne dass dieser ihn hätte kommen hören. Hans nahm die Hand von der Maus und schob den Bildschirm zur Seite. Er war damit beschäftigt gewesen, über das Internet die Daten einer Zugreise zu überprüfen, die er am nächsten Morgen antreten würde. Es ging nach Koblenz, zu einem Geschäftspartner. Hans war stets ein wenig paranoid vor solchen Reisen und pflegte Abfahrtszeiten und Gleise mehrfach zu checken.
„Gerne, Charlie. Um was geht es?“
„Um die Zuverlässigkeit deiner angeblich brandneuen Kessel.“
Hans runzelte die Stirn. Der Unterton in Charlies Stimme gefiel ihm nicht. Er sprach immer selbstbewusst und aggressiv, aber heute schien noch mehr in seiner Stimme zu lauern – etwas zutiefst Bedrohliches ...
„Du weißt, dass wir diese Woche schon eine Fehlfunktion hatten.“
Hans nickte.
„Und heute ist wieder ein Kessel ausgefallen.“
„Wirklich? Warum weiß ich nichts davon?“
„Heiner hat es mir vor einer halben Stunde erst gezeigt.“
Heiner gehörte zu den wenigen Arbeitern, die mit Charlie besser auskamen als mit Hans. Man konnte ihn fast schon als seine rechte Hand bezeichnen.
„Was ist? Willst du es dir ansehen?“
„Aber sicher.“ Hans erhob sich, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und ging mit betont festem Schritt an Charlie vorbei, in Richtung Fabrik, die durch einen kurzen Korridor mit den engen Büroräumen verbunden war.
Inzwischen befand sich hier niemand mehr außer den beiden. Die Arbeiter, die Sekretärinnen und die Putzkolonne hatten Feierabend gemacht. Überrascht stellte Hans fest, dass in der Fabrik nicht nur das Notlicht, sondern die volle Beleuchtung brannte. Die achtzehn Kessel, die in zwei Reihen angeordnet waren und das Kernstück der Fabrik darstellten, glommen in einem tiefen Kupferrot, und als die beiden Männer vorübergingen, war es, als spiegle sich in den gewölbten Oberflächen der Tanks eine ganze Armee von Leuten.
Die Kessel waren gut zwei Meter hoch und zylinderförmig, anders als jene, die man aus Brauereien kannte. Der dritte Kessel von rechts in der hinteren Reihe war am oberen Ende geöffnet. Hans sah es, weil der Deckel auf dem Boden lag und die fahrbare Aluminiumleiter an dem Kessel lehnte.
„Was ist kaputt?“, erkundigte sich Hans. Er war nicht ganz bei der Sache. Die Details der morgigen Reise spukten ihm hartnäckig im Kopf herum.
„Sieh’s dir selbst an“, gab sein Bruder kalt zurück.
„Charlie, machen wir doch keine Spielchen! Ich habe jetzt nicht den Nerv dazu. Sag mir, was nicht in Ordnung ist, und ...“
„Steig rein und sieh’s dir an. Es sind deine Kessel!“
„Du irrst dich. Du warst es, der sie vor drei Jahren haben wollte.“
„Richtig. Und du
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