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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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diese Welt wollte. Sie hatte die Barriere zwischen den Welten ohne Mühe durchbrochen – daher das Licht und der Windstoß. Wie stark musste ihre Verbindung zu der Welt der Lebenden noch sein, wenn sie so leicht und so vollkommen herüberwechseln konnte! Sir Darren spürte eine Gänsehaut am ganzen Körper. Er hatte diese Empfindung in seiner Jugend oft gehabt, doch kaum mehr in den letzten Jahrzehnten.
    Dieses Kind war tot, unwiderruflich tot, und doch war noch so viel Leben in der kleinen Seele ...
    „Ich bin ein ... Freund“, sagte er. Seine Stimme hörte sich furchtbar an. Er räusperte sich und hustete. Der Frosch in seinem Hals löste sich nicht. „Wir werden ... eine Weile zusammen verbringen.“
    Das Mädchen zog die Augenbrauen zusammen, wirkte skeptisch. Anna sah sich in dem kleinen Zimmer um und schien sich zu fragen, wie sie hierhergekommen war. „Wollen Sie den Stuhl nicht aufstellen?“, erkundigte sie sich. „Was ist passiert? Soll ich es für Sie tun?“
    „Nicht nötig!“ Ehe sie nach dem Stuhl greifen konnte – ehe sie versuchen konnte, danach zu greifen –, kam der Mann ihr zuvor. „Mein Name ist Darren Edgar“, sagte er schnell, nur, um sie zu beschäftigen und Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. „Ich komme aus Großbritannien. Ich bin ... Lehrer, Universitätsdozent.“
    „Edgar ist Ihr Nachname? Ich heiße Anna. Was unterrichten Sie, Herr Edgar?“ Sie sah ihn mit großen Augen an.
    Es war einfach unglaublich, sich mit ihr zu unterhalten. Sie war in nichts von einem lebenden Mädchen zu unterscheiden. Ihre Stimme, der Schimmer ihrer Haut, der Glanz ihrer Haare, alles war echt. Sie hatte sogar einen eigenen Geruch. Er bemerkte es, als er sich ihr näherte. Sie roch nach Erde, als hätte sie eben noch damit gespielt. Ihre Fingernägel waren ein wenig schmutzig.
    „Ich unterrichte Geschichte“, antwortete er. Es kam ihm einfach so in den Kopf. Es hatte keinen Sinn, ihr etwas von Spiritismus zu erzählen. Sie wusste nicht, dass sie tot war, und sie durfte es nicht erfahren – jedes Gesprächsthema, das in diese Richtung führte, musste vermieden werden.
    „Sie haben gar keine Bücher“, stellte sie fest. „Warum hat ein Universitätslehrer keine Bücher in seinem Zimmer?“
    Sie war eine kleine Detektivin, aufmerksam und munter. Ihr haftete nichts von der träumerischen, zerstreuten Art an, die Geistern meistens eigen war. Er musste auf der Hut sein. „Weil es einen Stock tiefer eine Bibliothek gibt, die zum großen Teil aus meinen Büchern besteht.“
    „Eine ganze Bibliothek? Hier im Haus? Kann ich sie sehen? Ich liebe Bibliotheken.“
    „Das lässt sich machen. Nur ... müssen wir noch etwas warten.“ Wenn sie jetzt durchs Haus liefen, würden sie jemandem auffallen. Sir Darren konnte niemandem erklären, wer oder was sie war – nicht in ihrer Anwesenheit. Selbst wenn sie ungesehen durch die Korridore und über die Treppe ins Erdgeschoss kamen, würden sie in der Bibliothek auf jemanden stoßen. Dies war schließlich eine Universität. Irgendjemand saß immer zwischen den Bücherregalen oder vor den Computern. Es würde besser sein, sie verbrachten die Zeit bis in die Nacht hier, ehe er ihr die Bibliothek zeigte und ...
    Nein, auch nachts studierten manchmal noch Studenten dort unten. Er durfte sie gar nicht mit in die Bibliothek nehmen! Das Risiko war zu groß. Aber jetzt hatte er schon ihr Interesse geweckt. Er musste noch vorsichtiger sein! Musste genau abwägen, was er sagte. Es würde sehr anstrengend werden; er fühlte sich jetzt schon, als wäre er seit Stunden mit ihr zusammen.
    „Warten?“ Sie sah aus dem Fenster. „Wenn es dunkel wird, möchte ich zu Hause sein.“
    „Du wirst heute Nacht hier bleiben“, sagte Sir Darren. Kaum hatte er es ausgesprochen, spürte er, dass er einen Fehler begangen hatte. Die Formulierung klang zu bestimmend. Aus dem Mund eines Fremden kommend, mussten die Worte die Wirkung einer Drohung haben.
    „Was?“ Anna sah zur Tür. In ihrem Blick war jetzt Besorgnis zu erkennen.
    Sir Darren brach der Schweiß aus. Er überlegte fieberhaft. Etwas fiel ihm ein. „Du magst Bücher, nicht wahr? Ich habe hier einige Bücher, die dir gefallen werden.“ In einer kleinen abschließbaren Kommode bewahrte er ein halbes Dutzend wertvoller antiquarischer Folianten auf, die er der Bibliothek nicht anvertrauen wollte. Ein oder zwei davon waren voll von phantastischen Illustrationen und auch für Laien höchst interessant anzusehen. Sicher, es

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