Falkenjagd
Bursch soll er sein, der Ansbacher Vetter. Keiner
von den Tagedieben mit seidenen Ärschen und äffischen, gottlosen
Manieren, darum will ich ihn auch, wenn er herkommt, in mein
Tabakskollegium einladen. Freilich hat der Ansbacher leere Taschen.
Aber die werde ich ihm meinetwegen und deinetwegen stopfen.«
Der König lachte rau und trank wieder gierig aus seinem Krug,
wobei er Friederike mit seinen winzig kleinen Augen fest im Blick
behielt.
»Lutherisch musst du halt werden, weil sich die Vettern unten
im Süden nie mit der viel gottgefälligeren Lehre Calvins, die uns und
den guten Holländern so viel Nutzen bringt, anfreunden konnten.
Vielleicht hat Gott den Armen aber auch die Erleuchtung verwehrt und
bewusst nur wenigen …«
Wieder überkam den Mann, der vor fünfzehn Jahren von seinem
Vater ein durch Schwelgereien, Mätressen und Faulheit zerlumptes,
bettelarmes Land übernommen hatte, ein so übermächtiges Gefühl, dass
seine Worte in Schluchzen untergingen. Fünfzehn Jahre hatte er,
Friedrich Wilhelm, jeden Knopf, der für seine Soldaten gebraucht wurde,
extra registrieren lassen. Systematisch merzte er die
geldverschleudernde Wollust der Spitzen, Seidenstrümpfe, italienischen
Opern, philosophischen Traktate und sonstigen Hurereien des Geistes und
des Fleisches aus, die nur den ausländischen Händlern Reichtum brachte,
das Land dagegen in Armut stürzte. Der König trug schwer an seiner
Bürde. Er war kein glücklicher Mensch. Tief im Herzen wünschte er sich
nichts mehr, als ein Bürger Hollands zu sein. Inmitten einer
Gemeinschaft anderer herzhafter und hart arbeitender Herren, auf deren
Rechtschaffenheit Gottes Wohlgefallen ruhte. Aber er war nun mal in
dieses Joch gespannt und musste als Amtmann Gottes den störrischen
Preußen Sparsamkeit und Pflichterfüllung beibringen. Die ihn dafür
allerdings so wenig liebten wie seine eigenen Kinder.
Bei diesem Gedanken angekommen hätte Friedrich Wilhelm am
liebsten mit beiden Händen den Tisch umgestoßen, an dem seine Frau saß,
die er nie betrog und der er brav Jahr für Jahr ein Kind machte, was
ihm von ihrer Seite nichts als Verachtung einbrachte. Und erst sein
läppischer erster Sohn, der heimlich französische Bücher kaufte und
schiefe Blicke mit Wilhelmine, der Kanaille von Tochter austauschte,
die gegen ihn intrigierte, bloß um nach England zu heiraten. Das Blut
wallte in ihm auf, denn das Bier hatte ihn heute noch nicht genügend
ermüdet.
»Wenn mein Vater es wünscht, dann heirate ich den Markgrafen
von Ansbach.«
Friederike, die keiner weiter beachtet hatte, weil alle die
Sekunden bis zum Ausbruch des Königs zählten, sagte diesen Satz laut
und deutlich.
Der König reagierte nicht gleich, denn schon gärte wieder
Misstrauen in ihm. Hatte aus der Stimme seiner Tochter vielleicht mehr
Entschlossenheit als Gehorsam geklungen? Ihr hatte er bislang immer
getraut. Friederike gehörte nicht zu den Speichelleckern und aalglatten
Lügnern, die an seinem Hof gegen ihn arbeiteten. Gottlob durchschaute
er sie alle. Seine Zweitälteste Tochter war so wie er, geradeheraus,
sparsam und mit einem erstaunlich guten Sinn für die Realität. Trotzdem
musste er immer auf der Hut sein. Während er sich dafür entschied, ihr
wortreich und herzlich zu ihrer guten Wahl zu gratulieren, studierte er
gleichsam zum Abschied ihre äußere Erscheinung noch einmal genau.
Eine Schönheit war sie durchaus, obgleich keine strahlende.
Nase, Kinn, Wangenknochen ergaben ein hübsches, noch rundes
Kindergesicht. Ihren Teint hatten gottlob bislang keine Pockennarben
verdorben. Die Augen, die musste man wirklich extra loben, so
schimmernd blau und groß waren sie. Das mit dem Bein, das jetzt ein
wenig lahmte, tat ihm leid. Ein Mädchen von vierzehn Jahren, mit noch
etwas eckigen Schultern und zarter Brust. Gott gebe, dass sie so
schnell und leicht Kinder empfangen und gebären würde wie ihre Mutter,
der sie mehr als die anderen Töchter ähnelte. Obwohl sie natürlich nie
die Blicke auf sich ziehen würde wie seine Dorothea Sophie, von der
man, als sie jung war, in ganz Europa als der Prinzessin mit der
schmalsten Taille und dem vollsten Busen geschwärmt hatte. Darauf war
sie immer noch stolz und vor allem darauf, eine Welfin zu sein. Auch
das war eine Bürde, die Gott ihm auferlegt hatte. Der König schnaufte
wieder sorgenvoll und hob die Tafel wie immer um Punkt ein Uhr auf.
Der kleine, schwergewichtige Mann schlurfte
mit den Grimassen Wilhelmines und der
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