Fallen Angel 07 Tanz der Rose
Möchtest du vielleicht eine Zigarre? «
»Danke. « Stephen rauchte selten, doch im Augenblick war ihm jede Ablenkung willkommen. Bedächtig zündete er die Zigarre an.
»Die Fitzgerald-Truppe ist erstaunlich gut für eine Wanderbühne«, fuhr Candover unbeirrt fort. »Trotzdem ist es ein seltsamer Aufenthaltsort für einen Herzog. Darf ich fragen, warum du hier bist, oder geht es mich nichts an? «
Stephen beschloß, ihm wenigstens einen Teil der Wahrheit anzuvertrauen. »Bist du deinen Verpflichtungen nicht manchmal überdrüssig? «
»Ja. Zwar nicht allzu oft, aber von Zeit zu Zeit«, antwortete Candover nachdenklich. »Du gönnst dir also einen Urlaub von deinem Herzogtum? «
»So ist es, und ich möchte nicht, daß jemand davon erfährt. «
Candover schmunzelte. »Das kann ich gut verstehen. Du bist zwar ein ganz anständiger Schauspieler, aber deine Familie wäre mit deiner neuen Karriere vermutlich nicht ganz einverstanden. «
»Michael würde nach dem ersten Schock wahrscheinlich herzhaft lachen, aber meine Schwester Claudia würde fast der Schlag treffen, und dann würde sie so lange zetern, bis ich einen Herzanfall bekäme. «
Candover lachte laut. »Ja, deine Schwester hat wirklich Haare auf den Zähnen. Mach dir keine Sorgen - ich werde dich nicht verraten. Mich wundert nur, daß Fitzgerald die Katze nicht aus dem Sack gelassen hat. Er mußte sich doch sehr geehrt fühlen, dich in der Truppe zu haben. «
»Er hat keine Ahnung, wer ich bin. Niemand von der Truppe weiß es. «
»Aha, also die perfekte Anonymität! « Candover warf seine Zigarre auf den Boden und zertrat den Stummel mit dem Absatz. »Bist du ganz sicher, daß du nicht ins Schloß kommen möchtest? Du brauchst dich nur wieder mit Bart und Perücke zu schmücken, dann erkennt dich kein Mensch. «
»Ich möchte lieber kein Risiko eingehen. « Stephen stieß eine Rauchwolke aus. »Außerdem genieße ich den Nachtfrieden. «
»Wie du willst. « Candover streckte ihm die Hand hin. »Ich habe mich gefreut, dich wiederzusehen. Du mußt uns bald einmal besuchen - in deiner wahren Identität! Oder hast du vor, Schauspieler zu bleiben? «
»Nein, ich werde die Truppe in spätestens einer Woche verlassen. « Stephen schüttelte ihm die Hand. »Grüß bitte deine clevere Herzogin von mir. «
Während er der kräftigen Gestalt nachblickte, bis sie mit der Dunkelheit verschmolz, sagte er sich, daß die Sache glimpflich abgelaufen war. Viele Männer würden der Versuchung nicht widerstehen können, eine so interessante Geschichte in Umlauf zu bringen, doch auf Candovers Verschwiegenheit war Verlaß.
Ein stechender Schmerz schoß durch seinen Körper. Er preßte eine Hand auf den Magen und hielt unwillkürlich den Atem an, bis das Brennen nachließ. Gott sei Dank, das war kein richtiger Anfall! Es würde wohl bei dem unangenehmen Gefühl bleiben, als würde an seinen inneren Organe genagt.
Erschöpft ließ er sich ins Gras fallen, den Rücken an ein Wagenrad gelehnt. Mittlerweile an chronische Schmerzen gewöhnt, versuchte er sie zu ignorieren, solange sie kein unerträgliches Ausmaß annahmen. Dann verschafften ihm die Opiumpillen Linderung, dämpften freilich auch seine allgemeine Wahrnehmungsfähigkeit mehr, als ihm lieb war.
Wie lange war es jetzt her, seit er sich zuletzt hundertprozentig wohl gefühlt hatte? Etwa drei Monate... Alles hatte mit einer Nahrungsmittelvergiftung durch verdorbenen Fisch begonnen. Alle, die jenes Gericht gegessen hatten, waren erkrankt, hatten sich jedoch dank Dr. Blackmers Behandlung rasch erholt. Nur Stephen litt seitdem unter Magenbeschwerden, die immer schlimmer wurden.
Ein verdorbener Fisch als mögliche Todesursache? Er nahm sich vor, Blackmer einen entsprechenden Hinweis zu geben, sobald er den Arzt wiedersah. Wenn er schon sterben mußte, könnte er auf diese Weise vielleicht wenigstens einen bescheidenen Beitrag zum medizinischen Fortschritt leisten.
Der Gedanke vermochte ihn nicht aufzuheitern. Er rieb seinen Bauch und machte sich klar, daß einer von den drei Monaten, die Blackmer ihm als Minimum in Aussicht gestellt hatte, schon vorüber war, und auf eine Verlängerung dieser Frist wagte er nicht mehr zu hoffen. Nur gut, daß er die Truppe in spätestens einer Woche verlassen würde!
Candovers Einladung hatte ihn gefreut, aber er würde den Herzog und seine gewitzte Frau wohl nicht Wiedersehen. Vielleicht würde er auch nie wieder so im Gras sitzen und den Sternenhimmel genießen. Es galt,
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