Fallen Angel 07 Tanz der Rose
hin. »Worum geht es denn? « fragte Rosalind ihn leise.
»Nach dem Armenrecht entscheidet der Geburtsort darüber, welche Gemeinde für ein mittelloses Kind zu sorgen hat«, erklärte er grimmig. »Deshalb versuchen manche Gemeinden, schwangere Frauen wegzuschaffen, um sich diese Kosten zu sparen. «
Aus dem Wagen war jetzt ein verzweifeltes Wimmern zu vernehmen, das Rosalind schier das Herz zerriß. »Fehlt Ihnen denn jeder Sinn für Anstand? Während Sie hier streiten, leidet das Mädchen! «
Die Männer verstummten, und der Reiter rückte unbehaglich im Sattel hin und her. »Meine Schuld ist das nicht«, verteidigte er sich. »Ich bin Joseph Brown, einer der Ratsherren von Whitcombe. Zufällig kam ich hier entlang und mußte feststellen, daß die Gemeinde Cowley uns dieses Mädchen zuschieben möchte. Der Ort ist berüchtigt für ein solches Verhalten, und dieser Kerl hier - Crain heißt er - ist der Aufseher, der die Schmutzarbeit erledigt. «
Crain kicherte heiser. »Und ich bin verdammt tüchtig! Sobald ich jene Ulme dort passiert habe, seid ihr in Whitcombe für die Nutte und ihren Balg verantwortlich. « Ohne auf Browns wütende Proteste zu achten, ließ er seine Peitsche knallen.
Stephens Gesicht schien aus Granit gemeißelt zu sein, während er vor den Wagen sprang, die Pferde bei den Zügeln packte und mit seinem Gewicht zum Stehen brachte. »Rosalind, steig in den Wagen und schau nach, wie es der Frau geht«, befahl er ruhig.
»Verdammt, halten Sie sich da raus! « brüllte Crain. »Ich bringe die Schlampe nach Whitcombe. « Wütend hob er die Peitsche und schlug nach Stephen.
Stephen riß einen Arm hoch, um sein Gesicht zu schützen. Ohne auch nur zusammenzuzucken, als das harte Leder seinen Unterarm traf, packte er es mit beiden Händen. Ein kräftiger Ruck, und der Peitschenstiel entglitt Crains Griff und sauste wie eine Schlange durch die Luft.
Stephen fing ihn mühelos auf und zielte mit der Waffe auf den Kutscher. »Wenn Sie nicht sofort den Mund halten und tun, was ich sage, werden Sie bereuen, daß Sie jemals geboren wurden, das verspreche ich Ihnen! «
Seine eisige Stimme klang so bedrohlich, daß Crain erbleichte. Brown schluckte und war heilfroh, daß der Zorn des Unbekannten nicht ihm galt, und Rosalind staunte mit offenem Mund über die erschreckende Autorität, die Stephen plötzlich an den Tag legte. Nur ein sehr mutiger Mensch würde es wagen, ihm nicht aufs Wort zu gehorchen.
Ein Stöhnen erinnerte sie an seine Aufforderung, der Frau zu helfen. Sie kletterte auf ein Hinterrad und schwang sich in den Wagen. Auf Heu gebettet, lag ein Mädchen, das nicht älter als siebzehn oder achtzehn sein konnte. Unter normalen Umständen mußte es sehr hübsch sein, doch jetzt krümmte es sich vor Schmerzen, und das hellbraune Haar klebte schweißnaß am Kopf.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Rosalind beruhigend, während sie neben dem Mädchen in die Hocke ging und eine zur Faust geballte Hand in die ihre nahm. »Du bist nicht mehr allein. «
»Aber... aber mein Baby kommt jeden Augenblick zur Welt! « Die nußbraunen Augen waren schreckensweit aufgerissen, und der schäbige graue Rock war durchnäßt. »Ich... ich habe solche Angst! «
Rosalind drückte ihr fest die Hand und hätte sie gern getröstet, war aber selbst mehr als besorgt über die Tatsache, daß die Geburt unmittelbar bevorzustehen schien. Sollte es irgendwelche Komplikationen geben, könnten Mutter und Kind in wenigen Minuten tot sein.
Stephen legte ihr flüchtig eine Hand auf die Schulter, während er einen Blick in den Wagen warf. »Brown, holen Sie unverzüglich eine Hebamme oder einen Arzt. «
Eingeschüchtert von der gebieterischen Stimme, wendete der Ratsherr sein Pferd, zögerte dann aber doch loszureiten. »Versprechen Sie mir, daß der Wagen die Ulme nicht passiert? «
»Dieser Wagen wird sich nicht von der Stelle rühren«, versicherte Stephen und fügte an Crain gewandt hinzu: »Und Sie machen sich jetzt aus dem Staub - es sei denn, Sie verstehen etwas von Geburtshilfe! «
»Die kleine Nutte kann ihren Bastard doch nicht in meinem Wagen zur Welt bringen! « empörte sich der Aufseher.
»Dann hätten Sie sich nicht mit ihr auf den Weg machen dürfen«, entgegnete Stephen ungerührt. »Verschwinden Sie, aber schnell! «
Der Blick des Fremden ließ es Crain geboten erscheinen, den Kutschbock zu räumen und sich ein Stück zu entfernen. Aus sicherem Abstand beobachtete er das weitere Geschehen.
Stephen
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