Fallen Angel 07 Tanz der Rose
dürfen, die er als Herzog von Ashburton verheimlichen mußte.
Bald überließen Theseus und Hippolyta die Bühne dem jungen Liebespaar. Rosalind rannte in die Garderobe, um sich in einen Elfen zu verwandeln, doch Stephen konnte das Stück in aller Ruhe betrachten.
Schon bald wurde klar, daß Thomas Fitzgeralds Wunsch in Erfüllung gehen würde. Stephen hatte etwa ein Dutzend Aufführungen des Sommernachtstraums in verschiedenen Theatern gesehen und an drei davon mitgewirkt, aber diesmal war alles einfach vollkommen. Vielleicht lag es an der herrlichen Kulisse, daß die Schauspieler sich selbst übertrafen, allen voran Jessica als verwirrte Hermia.
Als Stephen am Ende der Komödie wieder mit Rosalind auf die Bühne mußte, befürchtete er nicht mehr, erkannt zu werden. Viele Zuschauer kannten den Herzog von Ashburton, aber heute abend war er Stephen Ashe, ein von der Tyrannei des Standesdünkels befreiter Mann, der den Theseus so überzeugend wie noch nie verkörperte.
Nach Pucks Schlußworten herrschte einen Moment lang andächtige Stille. Dann sprangen die Zuschauer von ihren Bänken auf und applaudierten so stürmisch, als wären sie keine blasierten Aristokraten, sondern ungehobelte Arbeiter und Bauern.
Nach anderen Nebendarstellern betrat Stephen Hand in Hand mit Rosalind noch einmal die Bühne, um die übliche Verbeugung zu absolvieren. Der tosende Beifall wirkte auf ihn berauschender als jeder Alkohol. Kein Wunder, daß Schauspieler geradezu süchtig danach wurden. Diese spontane Würdigung einer vollbrachten Leistung wurde anderen Menschen so gut wie nie zuteil.
Stephen empfand tiefe Dankbarkeit, daß es ihm vor dem baldigen Tod noch vergönnt gewesen war, dieses Leben kennenzulernen, das in krassem Gegensatz zu seinem nüchternen Alltag stand.
Das Publikum strömte auf die Bühne, um sich mit den Schauspielern zu unterhalten. Sobald Stephen sah, daß mehrere Damen zielstrebig auf ihn zusteuerten, zog er sich rasch in die Garderobe zurück. Rosalind hatte ihm erzählt, daß der Herzog das ganze Ensemble nach der Vorstellung immer ins Schloß zu einem Empfang einlud, wo kostümierte Schauspieler ausnahmsweise ungezwungen mit den adligen Gästen plaudern durften. Nach ein, zwei Stunden würden die Fitzgeralds dann mit ihrer Truppe im Mondschein nach Whitcombe zurückfahren.
Stephen wartete, bis draußen keine Stimmen mehr zu hören waren, bevor er Bart und Perücke abnahm und sein Kostüm auszog. In den wenigen Tagen, die er noch bei der Wanderbühne verbringen würde, war keine weitere Vorstellung des Sommernachtstraums vorgesehen. Während er die Sachen in der Kostümtruhe verstaute, verabschiedete er sich nostalgisch von Theseus, dem Herzog von Athen.
Kurz entschlossen trug er die Truhe hinaus und stellte sie in einen der Wagen. Wenn er schon als einziger nicht am Empfang teilnahm, konnte er sich wenigstens ein bißchen nützlich machen, indem er in der Garderobe Ordnung schaffte.
Aloysius, der unter dem Wagen geschlafen hatte, hob den Kopf, bellte erfreut und wedelte mit dem Schwanz. Bevor Stephen sich mit dem Hund beschäftigen konnte, stieg ihm Tabakgeruch in die Nase. Er wirbelte auf dem Absatz herum und sah wenige Meter entfernt die glühende Spitze einer Zigarre.
Eine amüsierte Stimme sagte gedehnt: »Du bist es also wirklich, Ashburton. «
Verdammt! Seufzend lehnte Stephen sich an den Wagen und verschränkte die Arme vor der Brust. Das Mondlicht war hell genug, um die hochgewachsene Gestalt mit den habichtartigen Gesichtszügen erkennen zu können: Er war vom Herzog von Candover ertappt worden.
»Guten Abend, Candover«, murmelte er resigniert. »Wie hast du mich erkannt? Ich dachte, ich hätte mich gut verkleidet. «
»Margot hat deine Stimme erkannt«, erwiderte Candover. »Als sie mir sagte, du würdest den Theseus spielen, dachte ich erst, meine Liebste hätte beim Diner zuviel Wein getrunken. Dann las ich aber auf dem Programmzettel den Namen Stephen Ashe, der durchaus eine Abkürzung von Ashburton sein konnte, und als du nicht zum Empfang kamst, beschloß ich nachzuschauen. Ich hätte von Anfang an wissen müssen, daß Margot recht hat. Stimmen und Akzente sind eine Spezialität von ihr. « Er zog an seiner Zigarre. »Das gehört zu den unerwarteten Vorteilen, wenn man eine Spionin heiratet. «
Ein weiterer Vorteil könnte darin bestehen, daß eine Spionin verschwiegen sein mußte, dachte Stephen. »Weiß sonst jemand Bescheid? «
Candover schüttelte den Kopf. »Nur wir zwei.
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