Fallen Angel 07 Tanz der Rose
haben würden, welchem König er am ähnlichsten sah. Er holte einen Handspiegel aus dem Schminkkasten und seufzte erleichtert, nachdem er sich kritisch gemustert hatte. Sie hatten ihm eine dunkle Lockenperücke aufgesetzt, die bis zu den Schultern reichte, und der dazu passende üppige Bart verhüllte fast die Hälfte seines Gesichts. Natürlich würde kein Mensch diese Haarpracht für echt halten, aber in dieser Verkleidung dürfte ihn auch niemand erkennen, und das war das einzige, worauf es ankam. »Meiner Meinung nach sehe ich eher wie ein Prophet aus dem Alten Testament aus - wie einer, der zu lange in der Wüste gelebt hat! «
Lachend befestigte Rosalind das Diadem des Herzogs von Athen - einen leicht vergoldeten Eisenreif - an der Perücke. »Ich muß zugeben, daß es eine ausgezeichnete Idee von dir war. Dich umgibt eine Aura fürstlicher Autorität, die man förmlich riechen kann. «
»Was man riecht, ist nicht seine Autorität, sondern nur die Lavendelsäckchen, mit denen wir Motten fernhalten«, widersprach Jessica frech und wich kichernd einem langen blonden Zopf aus, mit dem ihre Schwester nach ihr schlagen wollte.
Stephen erhob sich und zupfte sein Purpurgewand zurecht. Rosalind hatte recht gehabt - der Bart kratzte. »Eigentlich müßte die Vorstellung bald beginnen. «
Als Oberon verkleidet, kam Thomas Fitzgerald angehastet. Ganz in seinem Element, gab er vor Aufregung gelegentlich widersprüchliche Anweisungen, was aber nicht ins Gewicht fiel, weil Rosalind alles wie immer perfekt organisiert hatte. Und auch das Wetter machte ihnen keinen Strich durch die Rechnung.
Aus einem kleinen Fenster im Künstlerzimmer spähte Stephen ins Freie. Das Amphitheater schmiegte sich an einen Hügel, so daß hinter der Bühne riesige alte Bäume emporragten, die eine ideale natürliche Kulisse für den Sommernachtstraum abgaben. Stephen hatte mitgeholfen, dicke Seile an diesen Bäumen festzuknoten, und während der kurzen Probe hatten alle Darsteller von Elfen ausgelassen geschaukelt. Ihm war angst und bange geworden, als Rosalind ihren Auftritt ebenfalls aus luftiger Höhe vollzog, aber ihr hatte es viel Spaß bereitet, und sogar Maria war mit sichtlichem Vergnügen als Elfenkönigin Titania auf diese ungewöhnliche Weise auf der Bühne gelandet.
Jetzt brach die Abenddämmerung herein und trug zu der Illusion bei, dies sei tatsächlich jener verzauberte Wald, der nur in Shakespeares Fantasie existiert hatte. Irgendwo sang eine Nachtigall, während elegant gekleidete Damen und Herren lachend und plaudernd ihre Plätze auf den ansteigenden Bankreihen einnahmen. Stephen hielt nach seiner Schwester Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. Vielleicht hatte sie ja Migräne und war nicht mitgekommen.
Doch so viel Glück würde ihm kaum vergönnt sein...
Der Duft von Rosenwasser stieg ihm in die Nase, und gleich darauf stand Rosalind neben ihm am Fenster. Im prächtigen Kostüm der Amazonenkönigin, mit hochgesteckten Haaren und einem goldenen Diadem sah sie einfach hinreißend aus. Das Bühnen-Make-up betonte ihre vollen Lippen und die langen Wimpern, so daß es Stephens ganze Willenskraft erforderte, sie nicht an sich zu ziehen und zu küssen.
Er begnügte sich damit, seinen linken Arm unter ihren weiten Umhang zu schieben und die schmale Taille zu umschlingen, unbemerkt von den Kollegen. Sobald ihr warmer Körper den seinen berührte, pulsierte sein Blut schneller in den Adern, und gegen seinen Willen glitt seine Hand höher und wölbte sich um eine straffe Brust. »Bist du bereit für unsere Hochzeitsstunde, meine Hippolyta? « wandelte er seine erste Textzeile etwas ab.
Rosalind warf ihm unter halb geschlossenen Lidern hervor einen schmachtenden Blick zu. »Ja, mein liebster Herzog, ich bin bereit«, murmelte sie heiser und schmiegte ihre Hüfte an die seine.
Von einer Hitzewelle überflutet, ließ Stephen seiner Fantasie freien Lauf. Sie waren als Herzog und Königin ein unsterbliches Liebespaar aus dem Sommernachtstraum, er würde sie mit Wein und Rosen verführen, und sie würden im Märchenwald ewig ihrer Leidenschaft frönen, für immer jung und kraftvoll...
Ein heftiges Stechen im Magen riß ihn jäh in die Realität zurück. Verdammt, er glich einer Motte, die zu dicht an die sengende Flamme heranflog! Warum quälte er Rosalind und sich stets aufs neue?
Weil der Schmerz unbefriedigten Verlangens trotz allem süßer war als kalte Logik, lautete die Antwort. Tief durchatmend, ließ er Rosalind
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