Fallen Angels 02 - Der Dämon
ihn zu arbeiten, nur in anderer Funktion. Immerhin hatte der Soldat offenbar gut auf die Drohungen gegen Grier Childe angesprochen - das könnte ausreichen, um ihn bei der Stange zu halten.
Oder ... er könnte ihn gehen lassen.
Sobald dieser Gedanke durch seinen Kopf schoss, wurde er von einem Teil seines Inneren heftig verworfen, als wäre er höchste Blasphemie.
Verärgert über sich selbst und die Situation startete er den Motor und warf einen Blick auf sein Handy. Keine Nachricht von seiner Nummer zwei. Wo zum Teufel steckte der Blödmann?
Er schickte ihm eine SMS mit dem Befehl, ihm den Stand der Dinge mitzuteilen, und seiner voraussichtlichen Ankunftszeit, die erst weit nach Einbruch der Dunkelheit wäre. Und dann sollte der Penner besser mit lsaac Rothe an einen Stuhl gefesselt auf Matthias warten - und gnade ihm Gott, wenn er Rothe getötet hatte.
Vor Ungeduld das Lenkrad fest umklammernd, fuhr Matthias los und folgte den Anweisungen des in sein Armaturenbrett eingebauten GPS-Geräts Richtung Highway. Er war noch keine zwei Kilometer gefahren, als der Schmerz unter seinem Brustbein zurückkehrte, aber das war sozusagen vertraute Kleidung, nachdem er eine fremde Garderobe anprobiert hatte: Leicht und bequem, auf eine abgetragene Art und Weise.
Sein Handy klingelte. Bildnachricht. Von seiner Nummer zwei.
Erleichtert öffnete Matthias die MMS. Eine kleine visuelle Bestätigung, dass lsaac am Leben und in Gewahrsam war, wäre doch ...
Es war kein Bild von lsaac.
Es waren die Überreste des Gesichts seines Vizes. Und zu erkennen war das ausschließlich an der Schlangentätowierung um die Kehle des Mannes.
Unter dem Bild stand der Text: Komm und hol mich - I.
Matthias' erster und einziger Gedanke war ... was für eine Frechheit. Was für eine verdammte, beschissene Frechheit. Was zum Henker dachte sich Rothe dabei? Und eins war mal klar: Wenn Drohungen gegen die liebe, süße, tolle Grier Childe nicht funktionierten, dann war lsaac vollkommen unkontrollierbar und musste demzufolge aus dem Verkehr gezogen werden.
Blinde Wut verscheuchte den letzten noch verbliebenen Rest des in der Kirche Empfundenen und ein ungezügelter Rachedurst brach sich Bahn. Irgendwo in Matthias' Hinterkopf meldete sich zwar der Gedanke, dass das gar nicht er war, dass die kühle, messerscharfe Präzision des Denkens und Handelns, die immer sein Markenzeichen gewesen war, diesen weiß glühenden Zorn unmöglich gemacht hätte; doch er war nicht in der Lage, sich dem dringenden - und höchst persönlichen - Handlungsbedarf zu verweigern.
Scheiß aufs Delegieren ... Es gab zahllose Agenten, die er mit dieser Sache hätte beauftragen können, aber er würde sich selbst darum kümmern.
Genau wie er Jim Herons Leiche mit eigenen Augen hatte sehen müssen, würde er Rothe persönlich erledigen.
Der Mann musste sterben.
Einundvierzig
Grier saß auf der Couch in der Küchenecke und dachte daran, dass es damals absolut die richtige Entscheidung gewesen war, Jura statt Medizin zu studieren: Dazu hätten ihr eindeutig die Nerven gefehlt.
Ihre Noten und Testergebnisse hätten für beide Studiengänge ausgereicht, aber ausschlaggebend war »Anatomie des Menschen« gewesen, der übliche Grundkurs im ersten Jahr des Medizinstudiums: Ein Blick auf diese mit Musselin abgedeckten Leichen auf den ganzen Tischen auf dem Orientierungsrundgang, und sie hatte sich den Kopf zwischen die Knie stecken und atmen müssen wie im Yoga-Kurs.
Was sich jetzt wieder mal bestätigte. Dass in ihrem Hausflur jemand in noch drastischerer Verfassung herumlag, war noch viel schlimmer.
Wer hätte das gedacht.
Noch ein Schock in diesem Moment - nicht, dass sie noch einen gebraucht hätte - war die Hand ihres Vaters gewesen, die immer noch langsam, beruhigend auf ihrem Rücken kreiste. Solche Gesten kamen bei ihm extrem selten vor, er war nicht der Typ Mann, der gut Gefühle zeigen konnte. Und doch war er immer da gewesen, wenn sie ihn wirklich brauchte: wie beim Tod ihrer Mutter. Bei Daniels Tod. Diese entsetzliche Trennung damals von dem Mann, den Grier beinahe direkt nach dem Studium geheiratet hätte.
Das war der Vater, den sie ihr ganzes Leben gekannt und geliebt hatte. Trotz der Schatten, die ihn umgaben.
»Danke«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
Er räusperte sich. »Ich finde nicht, dass ich das verdient habe. Das alles hier ist meine Schuld.«
Dagegen konnte sie nicht viel einwenden, aber ihr fehlte die Kraft, ihn zu verdammen; besonders, da sie den
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