Fallen Angels 02 - Der Dämon
schrecklichen Schmerz in seiner Stimme hörte.
Jetzt wo ihr Zorn verraucht war, begriff Grier, dass sein Gewissen ihm bis ans Ende seiner Tage keine Ruhe lassen würde. Das war seine Strafe und er würde sie ertragen. Zudem hatte er schon ein Kind begraben müssen, einen unvollkommenen Sohn, den er auf seine Weise geliebt und auf furchtbare Art verloren hatte. Und obwohl Grier natürlich den Rest ihres Lebens damit verbringen konnte, ihn auf Abstand zu halten und für Daniels Tod zu hassen ... War das wirklich eine Last, die sie mit sich herumtragen wollten?
Sie dachte an die Leiche draußen im Flur und wie das Leben einem von einer Sekunde auf die andere entrissen werden konnte.
Nein, sagte sie sich. Sie würde dem Schmerz und der Wut, die sie empfand, nicht gestatten, sie um das zu bringen, was von ihrer Familie noch übrig geblieben war. Es würde eine Zeit dauern, aber sie und ihr Vater würden ihre Beziehung wieder aufbauen.
Wenigstens in dieser einen Sache hatte lsaac Recht gehabt und nicht gelogen.
»Wir können nicht die Polizei rufen, oder?«, fragte sie. Denn jeder in Uniform, der hier auftauchte, würde mit Sicherheit auch gejagt werden.
»lsaac und Jim kümmern sich um die Leiche. Das ist ihr Beruf.«
Bei der Vorstellung krümmte Grier sich. »Wird er nicht vermisst werden? Von wem auch immer?«
»Er existiert nicht. Nicht richtig. Falls er mal eine Familie hatte, halten sie ihn längst für tot - das gehört zu den Anforderungen in dieser Abteilung der X-Ops.«
Mein Gott, moralisch gesehen hatte sie ungefähr zwölf Probleme damit, nichts in Bezug auf diesen Toten zu sagen oder zu unternehmen. Aber sie würde nicht ihr eigenes Leben für den Mann aufs Spiel setzen, der geschickt worden war, um lsaac und vielleicht auch sie selbst zu töten.
Nur dass er ... tja, dem Anschein nach war er gekommen, um vor Zeugen Selbstmord zu begehen.
»Was sollen wir machen?« Es war mehr ein lautes Denken, sie erwartete keine Antwort.
Und das Wir bezog sich auf sie und ihren Vater; lsaac schloss es nicht mit ein.
Er hatte gelogen. Ihr ins Gesicht gelogen. In Wirklichkeit hatte er Kontakt mit diesen schlechten Menschen gehabt - während sie geglaubt hatte, sie hätten einen Plan. Schon wahr, ihren Vater hatte er nicht hintergangen, aber das war nur ein mäßiger Trost, weil er offenbar vorgehabt hatte, sich zu stellen - oder zumindest den Anschein zu erwecken. Ein Mann wie er, der so kämpfte und so gut mit Waffen umgehen konnte wie er? Höchstwahrscheinlich hatte er beschlossen, denjenigen zu töten, der ihn abholen sollte, und dann außer Landes zu fliehen.
Na schön. Sie ließ ihn ziehen.
Er war nichts als sexuelle Anziehung in einer tickenden Verpackung - und das Geräusch war der Zeitzünder der Bombe, die sich unter den ganzen starken, muskulösen Schleifchen und Geschenkbändern verbarg. Und was den Quatsch mit »Ich liebe dich« betraf? Die Sache mit Lügnern war die: Man glaubte alles, was sie sagten, auf eigene Gefahr - nicht nur das, von dem man wusste, dass es nicht stimmte. Grier war nicht sicher, wozu genau diese »Beichte« gehörte, aber sie war nicht so dumm, sie als etwas anderes zu betrachten denn als heiße Luft.
Jetzt, da sie ihre Entscheidung getroffen hatte, war sie zu müde, um noch etwas zu empfinden. Also, außer peinlicher Berührtheit. Aber komm schon, wer glaubte denn schon ehrlich daran, dass es diese »seltene Mischung« aus rau und sanft wirklich gab?
»Warte hier«, sagte ihr Vater.
Als er aufstand, bemerkte sie erst, dass zwei große Männer in die Küche getreten waren. Die beiden waren vom selben Kaliber wie lsaac und der eindeutig nicht tote Jim Heron - und ihr Anblick erinnerte sie daran, was da draußen in ihrem Flur vor sich ging.
Als hätte ihr Gedächtnis diese kleine Auffrischung nötig gehabt.
»Wir sind Freunde von Jim«, sagte der mit dem Zopf.
»Hier bin ich«, rief Heron von draußen.
Die beiden steuerten zusammen mit ihrem Vater den Flur an, und langsam wurde Grier wütend auf sich selbst. Es wurde höchste Zeit, sich die Hosen hochzukrempeln und sich wie ein großes Mädchen zu benehmen. Obwohl sich in ihrem Kopf noch alles drehte, stand sie auf, ging zur Kaffeemaschine und machte sich ganz mechanisch an die Aufgabe, eine frische Kanne aufzusetzen.
Filter.
Wasser.
Kaffeepulver.
Knopf auf An.
Die alltäglichen Handgriffe halfen ihr, die tanzenden Derwische in ihrem Kopf zu verlangsamen und Grier wieder einigermaßen auf Kurs zu bringen, und als sie
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