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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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wäre. Der Frage, warum sie sich für mich interessieren könnten, wich ich aus.
    Gleich nach dem Aufstehen rief ich Maria an. Sie war in einer Besprechung und konnte mich erst nach zehn zurückrufen.
    »Hab ich das falsch verstanden, oder hast du in Ealing mal in der Nähe einer Buchhändlerin gewohnt?« Meine Frage traf sie völlig unvorbereitet, und es dauerte eine Weile, bis sie dahinterkam, worauf ich hinauswollte.
    »Ja, stimmt. Die haben, die haben in Nummer … herrje, ich kann mich nicht an die Nummer erinnern …«
    »Der Name? Kannst du dich an den Namen erinnern?«
    »Ja. Hartwell, glaube ich. Ich hab sie schon ewig nicht mehr gesehen. Grace Hart … nein, nicht Hartwell. Das stimmt nicht. Besonders gut habe ich sie nicht gekannt. Hartford? Nein. Hart und noch was. Fällt mir gleich wieder ein. Sie war sehr auf bestimmte Sachen spezialisiert, soweit ich weiß. Warum willst du das wissen?«
    »Ich habe mich gefragt, ob sie vielleicht etwas über die Einbände weiß, die von den Tagebüchern meiner Mutter. Verstehst du? Ob sie feststellen kann, wer sie angefertigt hat. Ich könnte heute Vormittag zu ihr.« Nach Tagen der Untätigkeit war ich ganz versessen darauf, etwas zu unternehmen.
    »Hartwell. Sie heißt … Verdammt, da bin ich mir auch nicht sicher. Hartwell? Hart noch was. Schau unter Hart nach. Die Nummer ist, glaube ich, 219. Oder 218. Khartoum Road. W13. Sie steht bestimmt im Telefonbuch. Grüß sie von mir.«
    Keine Hartwells in der Khartoum Road, aber ein Eintrag Hartfield, RS, 218 Khartoum Road. Allerdings keinerlei Erwähnung von Büchern. Auch fanden sich, und das war noch merkwürdiger, auf den Gelben Seiten unter Buchhändler keine Hartfields (oder Hart irgendwas), weder für neue noch für antiquarische Bücher. Als ich die unter Hartfield angegebene Nummer anrief, nahm niemand ab. Mir war jedoch nicht danach zumute, die Sache aufzuschieben, also packte ich die Tagebücher sorgfältig ein und fuhr los, um sie aufzusuchen. Der Gedanke, sie könnte nicht zu Hause sein, kam mir gar nicht.
    Das Haus zu finden war nicht weiter schwer, da es ganz in der Nähe von Marias ehemaliger Wohnung lag, in einer jener angenehmen, baumbestandenen Straßen, mit dem Auto ungefähr fünf Minuten vom Broadway entfernt. Als ich um die Ecke bog, spielten auf den Tennisplätzen zwei Paare. Die reinste Idylle – im strahlenden Sonnenschein lobbten zwei Traumpaare, die in ihrer Unbekümmertheit keinerlei Gedanken darauf verschwendeten, wie die Jahre vergingen, ihre Bälle über das Netz.
    Das Haus der Hartfields sah ein wenig heruntergekommen aus. Fast wäre ich über ein kaputtes Dreirad gefallen, das quer auf dem Gartenweg lag, und der winzige Rasen hätte dringend gemäht werden müssen. Beim Anblick der sorgfältig gepflegten Nachbarhäuser konnte ich fast die verzweifelten Seufzer der Anwohner hören. Die Haustür, von der die Farbe abblätterte, stand einen Spaltbreit offen.
    Die Türklingel funktionierte nicht, aber als ich an die Holztür hämmerte, tauchte ein kleiner Junge auf, der einen Schlafanzug und einen schmuddeligen Bademantel anhatte. Er war ungefähr acht oder neun und hielt eine Fernbedienung für den Fernseher in der Hand. Offenbar war ich eine willkommene Abwechslung, denn er strahlte mich an. Oder vielleicht kam gerade nichts Gescheites im Fernsehen?
    »Hallo.«
    »Hallo.« Ich grinste das spitzbübische Kerlchen mit den riesengroßen braunen Augen und den Grübchen in den Wangen an. »Ist deine Mutter da?«
    Feierlich blickte er mich an und schüttelte bedächtig den Kopf. »Dad wird gleich zurück sein. Zumindest hat er das gesagt. Er ist nur schnell zum Supermarkt. Wie heißt du?«
    »Nell. Und du?«
    »Jamie. Ich hab die Windpocken. Na ja, ich hab sie gehabt, jetzt hat meine kleine Schwester sie. Überall hat sie Flecken.« Er kicherte. »Sogar auf dem Po«, fügte er kühn hinzu und wartete meine Reaktion ab.
    »Interessant. Hast du da auch welche gehabt?«
    Das überhörte er. »Möchtest du reinkommen? Dad sagt, es ist wirklich sehr ansteckend.« Ganz begeistert schien er von dieser Herausforderung und beobachtete mich gespannt, während ich fieberhaft versuchte, mich zu entsinnen, welche Kinderkrankheiten ich gehabt hatte. Jedes Kind kriegt mal Windpocken, oder?
    »Was ist mit deiner Mam?«
    »Ich hab keine Mam, mein Dad kümmert sich um uns. Er ist alleinerziehender Vater.« Stolz sah er zu mir auf, völlig im Einklang mit sich selber. Wie eine Bedrohung für das konservative

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